Leitsatz
Die Auslegung eines Mietspiegels (§§ 558a Abs. 2 Nr. 1, 558c, 558d BGB) unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
- Ist in einem Regressionsmietspiegel eine Preisspanne ausgewiesen, so setzt eine Abweichung von dem nach den Tabellen ermittelten Wert nach oben oder unten voraus, dass dies aufgrund konkreter Wohnwertmerkmale gerechtfertigt ist.
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
BGB § 558a
Kommentar
In dem Ausgangsrechtsstreit hat der Vermieter einer in Regensburg gelegenen Wohnung den Mieter auf Zustimmung zur Mieterhöhung gem. § 558 BGB von 900 EUR auf 961 EUR in Anspruch genommen. Zur Begründung nahm der Vermieter auf den Mietspiegel 2007 der Stadt Regensburg Bezug. Hierbei handelt es sich um einen sog. "Regressionsmietspiegel". In diesem Mietspiegel sind die Mietpreise in einer nach der Wohnungsgröße geordneten Basistabelle aufgeführt. Die besonderen Wohnwertmerkmale wie Baujahr, Wohnlage, Haus- und Wohnungstyp, Heizungs-, Sanitär- und die sonstige Ausstattung der Wohnung sind in Form prozentualer Zu- und Abschläge zu berücksichtigen, die in gesonderten Tabellen aufgeführt sind. Darüber hinaus sieht der Mietspiegel vor, dass zu der nach der Basistabelle und den Wohnwerttabellen ermittelten Miete Zu- oder Abschläge von +/- 20 % möglich sind, wenn die Wohnung besondere, in den Tabellen nicht berücksichtigte Merkmale aufweist.
Der Mietspiegel der Stadt Regensburg gilt als qualifizierter Mietspiegel. Der Vermieter beansprucht nach der Spannbreitenregelung einen Zuschlag von 15 % für eine "übergroße Terrasse mit Aussicht zur Altsstadt/Donau". Die Instanzgerichte haben einen Zuschlag von 3 % zugebilligt. Der Vermieter vertritt die Ansicht, dass unter der ortsüblichen Miete die nach der Basis- und den Wohnwerttabellen ermittelte Miete einschließlich des 20 %igen Zuschlags aus der Spannenregelung zu verstehen sei. Eine besondere Begründung für den Spannenzuschlag sei deshalb nicht erforderlich.
Überprüfung eines Mietspiegels durch das Revisionsgericht (Leitsatz 1)
Ein Mietspiegel ist keine Rechtsnorm, sondern eine "statistisch aufbereitete Sammlung von Vergleichmieten" (Börstinghaus, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, §§ 558c, d BGB Rdn. 8). Bislang war obergerichtlich nicht geklärt, ob der Inhalt eines Mietspiegels und seine Anwendung durch die Instanzgerichte in der Revisionsinstanz überprüft werden kann. Der BGH bejaht diese Frage, weil insoweit ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht.
Handhabung von Spannenwerten (Leitsatz 2)
Die in dem Mietspiegel der Stadt Regensburg ausgewiesene Mietpreisspanne beruht auf der Erwägung, dass durch die Wohnwerttabellen nicht alle denkbaren Beschaffenheits- und Ausstattungsmerkmale erfasst werden. Dies führt zu der Frage, wie die Spanne in der Praxis zu handhaben ist.
Für den Berliner (Tabellen)Mietspiegel hat der BGH ausgeführt, dass es für die formelle Wirksamkeit eines Mieterhöhungsverlangens nach § 558a BGB ausreicht, wenn der verlangte Mietpreis innerhalb der Spanne liegt. Die Zuordnung der Wohnung zu einem Wert innerhalb der Spanne sei Aufgabe des Gerichts. Das Gericht sei nicht verpflichtet, dem Vermieter in jedem Fall die höchste aus der Spanne ersichtliche Miete zuzusprechen (BGH, Urteil v. 20.4.2005, VIII ZR 110/04, NJW 2005 S. 2074). Die Revision hat die Ansicht vertreten, dass der BGH diese Rechtsprechung in dem Urteil vom 21.10.2009 (VIII ZR 30/09, NJW 2010 S. 149; das in den Urteilsgründen wiedergegebene Datum 21.10.2010 beruht auf einem Versehen) aufgegeben habe.
Die genannte Entscheidung betrifft allerdings einen Sachverhalt, in dem die ortsübliche Miete durch einen Sachverständigen ermittelt wurde. In dem Sachverständigengutachten wird die ortsübliche Miete auf der Basis von 19 Vergleichswohnungen in Form einer Spanne ausgewiesen. Den qualitativen Abweichungen der Vergleichsobjekte von der Bezugswohnung hat der Sachverständige bei jedem einzelnen Vergleichsobjekt durch Zu- und Abschläge (Anpassungsfaktoren) Rechnung getragen. Für diese Form der Preisermittlung hat der BGH ausgeführt, dass auch der obere Spannenwert Teil der ortsüblichen Miete ist mit der weiteren Folge, dass der Vermieter Anspruch auf diese Miete hat.
Vorliegend stellt der BGH klar, dass die Ausschöpfung einer Preisspanne stets voraussetzt, dass eine Abweichung von dem nach den Tabellen ermittelten Wert nach oben oder unten aufgrund konkreter Merkmale gerechtfertigt ist.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 4.5.2011, VIII ZR 227/10, NJW 2011 S. 2284