Leitsatz
Bei Abschluss eines Mietvertrags durch eine Aktiengesellschaft ist die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn alle Vorstandsmitglieder unterzeichnen oder eine Unterschrift den Hinweis enthält, dass das unterzeichnende Vorstandsmitglied auch die Vorstandsmitglieder vertreten will, die nicht unterzeichnet haben.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 550
Kommentar
Der Eigentümer vermietete durch Vertrag vom 2.7.2001 gewerbliche Räume an eine Aktiengesellschaft. Die AG wurde laut Vertrag von den Vorstandsmitgliedern A und B vertreten. Der Mietvertrag war auf 10 Jahre befristet. Er begann am 1.10.2001 und sollte vereinbarungsgemäß Ende September 2011 enden. Im März 2002 einigten sich die Parteien auf eine Mieterhöhung. Die schriftliche Änderungsvereinbarung wurde jedoch nur von dem Vorstandsmitglied A unterzeichnet. Im März 2006 – also mehr als 5 Jahre vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit – hat die Mieterin das Mietverhältnis gekündigt. Der BGH hatte zu entscheiden, ob der Mietvertrag wegen Nichtbeachtung der Schriftform vorzeitig gekündigt werden kann.
Dies wird vom BGH bejaht: Wird ein Mietvertrag für längere Zeit als 1 Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, gilt er auf unbestimmte Zeit. Ein solcher Vertrag kann gemäß § 550 BGB nach Ablauf des ersten Mietjahrs von jeder Partei gekündigt werden. Gleiches gilt, wenn ein befristeter Mietvertrag während der Mietzeit in einem wesentlichen Punkt abgeändert wird. Zu den wesentlichen Änderungen in diesem Sinn zählt auch eine Mieterhöhung.
Die Schriftform ist gewahrt, wenn die Vertragsurkunde vom Vermieter und vom Mieter eigenhändig unterzeichnet wird; bei mehreren Vermietern oder Mietern müssen alle Beteiligten unterschreiben. Die jeweiligen Vertragsparteien können sich bei der Unterschrift vertreten lassen. In einem solchen Fall muss sich aus der Vertragsurkunde grundsätzlich ergeben, dass der Unterzeichnende in Vertretung der Vertragspartei gehandelt hat (BGH, Urteil v. 5.11.2003, XII ZR 134/02, NJW 2004 S. 1103 betr. GbR; BGH, Urteil v. 16.7.2003, XII ZR 65/02, NJW 2003 S. 3053 betr. GbR; BGH, Urteil v. 11.9.2002, XII ZR 187/00, NJW 2002 S. 3389 betr. Erbengemeinschaft; BGH, Urteil v. 7.5.2008, XII ZR 69/06, NJW 2008 S. 2178).
Von diesem Grundsatz gilt eine wichtige Ausnahme. Die Schriftform ist auch ohne Vertretungszusatz gewahrt, wenn die Vertretung der Vertragspartei durch den Unterzeichner auf andere Weise hinreichend bestimmbar ist. Dies ist insbesondere in zwei Fällen anzunehmen:
- Wenn eine einzelne natürliche Person Vermieter oder Mieter ist und der Vertrag durch einen Dritten unterschrieben wird. Auch hier ist klar, dass der Unterzeichner nicht für sich, sondern für die Vertragspartei handeln will.
- Wenn die Mietsache von einer juristischen Person vermietet wird oder wenn eine juristische Person Mieter ist: In diesem Fall ist klar, dass der Unterzeichner nicht für sich, sondern für die juristische Person handeln will (BGH, Urteil v. 19.9.2007, XII ZR 121/05, NJW 2007 S. 3346).
Die letztgenannte Ausnahme gilt aber nur, wenn der Unterzeichner alleinvertretungsberechtigt ist oder wenn es sich um einen Dritten handelt. Besteht der Vorstand einer AG aus mehreren Personen, so sind die Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Wird der Mietvertrag in einem solchen Fall nur von einem Vorstandsmitglied unterzeichnet, ist die Schriftform nur gewahrt, wenn sich aus einem Zusatz zur Unterschrift (etwa durch den Vermerk "i. V.") ergibt, dass der Unterzeichner zugleich für die übrigen Vorstandsmitglieder unterzeichnen will. Anderenfalls bleibt unklar, ob die Urkunde unvollständig ist und es zur Wirksamkeit des Vertrags noch einer weiteren Unterschrift bedarf.
Im Entscheidungsfall wurde die Mieterhöhungsvereinbarung nur von einem Vorstandsmitglied ohne Vertretungszusatz unterzeichnet. Die Schriftform war nicht gewahrt, sodass der Mietvertrag vor Ablauf der Zeit gekündigt werden konnte.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 04.11.2009, XII ZR 86/07, GE 2010 S. 53 m. Anm. Wiek, GuT 2009, S. 365