Leitsatz
Der arbeitslose Beklagte wurde von einem minderjährigen Kind auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch genommen. Er war schwarzafrikanischer Herkunft, hatte keine in Deutschland anerkannte abgeschlossene Berufsausbildung absolviert und beherrschte die deutsche Sprache nur unzureichend. In seinem Haushalt lebten zwei weitere volljährige Kinder, die das Gymnasium besuchten. Eines der Kinder litt an Epilepsie.
Das FamG hat den Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Rechtsverteidigung zurückgewiesen und ihm einen fiktiven Bruttostundenlohn von 8,15 EUR aus einer vollschichtigen Tätigkeit zugerechnet. Ferner fand erstinstanzlich eine Zurechnung zusätzlichen Einkommens aus einer Nebentätigkeit statt.
Gegen den ablehnenden PKH-Beschluss wandte sich der Beklagte mit der Beschwerde, die teilweise erfolgreich war.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG gewährte dem Beklagten insoweit Prozesskostenhilfe, als er sich gegen die Inanspruchnahme auf Zahlung eines monatlichen Unterhalts von über 32,00 EUR monatlich hinaus wehrte.
Das AG habe ihm zu Recht wegen unzureichender Erwerbsbemühungen ein fiktives Einkommen aus einer Vollzeittätigkeit zugerechnet. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass das erzielbare Einkommen auf der Basis eines Stundensatzes von 8,15 EUR ermittelt worden sei. Obgleich der Beklagte über keine in Deutschland anerkannte abgeschlossene Berufsausbildung verfüge und die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrsche, griffen die von ihm geltend gemachten fehlenden Beschäftigungschancen zu dem von dem erstinstanzlichen Gericht in Ansatz gebrachten Stundenlohn nicht durch. Die Chance, eine Arbeitsstelle mit einem entsprechenden Einkommen zu finden, sei nicht nur theoretischer Art, was sich auch daran zeige, dass es dem Beklagten in der Vergangenheit gelungen sei, eine Anstellung als Reinigungskraft mit einem Stundenlohn von 8,15 EUR zu finden. Auch wenn eine sichere Einschätzung des erzielbaren Einkommens nicht möglich sei, gingen etwaige Zweifel hinsichtlich einer fehlenden realen Beschäftigungschance zu Lasten des Beklagten (vgl. BGH FamRZ 2008, 2104 [2106]; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 1 Rz. 529).
Der Beklagte trage für seine fehlende bzw. unzureichende Leistungsfähigkeit die Beweislast. Solange er nicht nachweise, dass er trotz nachhaltiger und intensiver Erwerbsbemühungen keine Tätigkeit gefunden habe, die mit einem geringeren Stundenlohn als 8,15 EUR vergütet werde, müsse er sich den vom AG in Ansatz gebrachten Stundenlohn zurechnen lassen.
Allerdings sei ihm - anders als vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommen - kein zusätzliches Einkommen aus einer Nebentätigkeit zuzurechnen. Die Obliegenheit zur Aufnahme einer Nebentätigkeit könne nur dann angenommen werden, wenn und soweit die Aufnahme einer weiteren Erwerbstätigkeit dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar sei und ihn nicht unverhältnismäßig belaste (BVerfG FamRZ 2003, 661 f.; s. auch BGH, FamRZ 2009, 314, 316 und FamRZ 2009, 872, 874).
Hiervon könne aufgrund der besonderen Lebenssituation des Beklagten nicht ausgegangen werden. Er sei allein erziehender Vater. In seinem Haushalt lebten zwei volljährige Kinder, die noch das Gymnasium besuchten. Trotz Volljährigkeit bedürften sie der Unterstützung durch den Vater. Dies gelte insbesondere für die Tochter, die an Epilepsie leide. Wegen ihres Anfallleidens habe sie sich ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen allein im laufenden Jahr schon dreimal in stationärer Behandlung begeben müssen. Dass die Erkrankung nicht nur für die Tochter, sondern auch für den Beklagten eine erhebliche Belastung darstelle, stehe außer Frage.
Es könne von ihm daher nicht verlangt werden, dass er an den Wochenenden einer Nebentätigkeit nachgehe. Er sei der alleinige Ansprechpartner für seine Kinder, wenn es um wichtige Dinge gehe. Die Mutter lebe in einem anderen Ort. Verwandte, die den Beklagten entlasten und seine Kinder unterstützen könnten, gebe es nicht.
Link zur Entscheidung
OLG Bremen, Beschluss vom 02.11.2009, 4 WF 108/09