Leitsatz
Eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung kommt nur zustande, wenn der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht und der Vermieter dem zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt für die Annahme einer diesbezüglichen Willensübereinstimmung selbst dann nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist (im Anschluss an BGH, Urteil v. 23.9.2009, VIII ZR 300/08, NJW 2010 S. 1133).
(Leitsatz der Redaktion)
- Fehlt es an einer Beschaffenheitsvereinbarung, bestimmt sich der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand der Mietsache nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben.
Eine vorübergehend erhöhte Verkehrslärmbelastung aufgrund von Straßenbauarbeiten stellt unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich innerhalb der in Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel der vermieteten Wohnung dar.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
BGB § 536
Kommentar
Der zur Entscheidung stehende Fall betrifft einen im Jahr 2004 abgeschlossenen Mietvertrag über eine in der Berliner Innenstadt gelegene Wohnung. Das Wohngebäude liegt in einer Seitenstraße mit einem ursprünglich geringen Verkehrsaufkommen. In der Zeit von Juni 2009 bis November 2010 – also während der Dauer von 18 Monaten – wurden auf einer in der Nähe der Wohnung vorbeiführenden Hauptverkehrsstraße umfangreiche Bauarbeiten durchgeführt; zu diesem Zweck wurde der Verkehr über die Seitenstraße umgeleitet. Dies hatte zur Folge, dass die Wohnung in höherem Maße den hierdurch bedingten Immissionen ausgesetzt war. Die Mieter haben die Miete aus diesem Grund gemindert.
Das Berufungsgericht hat der Klage des Vermieters auf Zahlung der Rückstände nur teilweise stattgegeben. Zwar müsse der Mieter in Fällen der vorliegenden Art einen vorübergehend vermehrten Bau- und Verkehrslärm bis zu einer gewissen Grenze als zum allgemeinen Lebensrisiko gehörend entschädigungslos hinnehmen. Diese Grenze sei indessen nach Ablauf von 6 Monaten ab Beginn der erhöhten Lärmbelastung erreicht.
Der BGH sieht dies anders: Entsteht während der Mietzeit ein Mangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert, hat der Mieter nach der gesetzlichen Regelung in § 536 Abs. 1 BGB für die Dauer der Beeinträchtigung nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten.
1. Konkludente Beschaffenheitsvereinbarung
Der vertragsgemäße Gebrauch im Sinne dieser Vorschrift wird nach allgemeiner Ansicht in erster Linie durch die Vereinbarungen der Parteien über die Beschaffenheit der Mietsache konkretisiert. Zur Beschaffenheit gehören auch Umstände, die von außen auf die Mietsache einwirken (sog. Umweltmängel). Dazu zählt auch der Umfang der Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist.
Eine Beschaffenheitsvereinbarung kann auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden. Dies führt zu der Frage, ob eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung dadurch zustande kommt, dass der Vermieter die Mietsache in dem bei Vertragsschluss vorhandenen konkreten Zustand anbietet und der Mieter diesen Zustand als vertragsgemäß akzeptiert. Hierfür könnte sprechen, dass das für die Überlassung einer Mietwohnung vereinbarte Entgelt maßgeblich auch durch die Beschaffenheit der Wohnung beeinflusst wird.
Der BGH sieht dies anders: Eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung kommt nur zustande, "wenn der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht und der Vermieter dem zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt für die Annahme einer diesbezüglichen Willensübereinstimmung selbst dann nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist" (Rz. 10).
Hier hat der BGH das Zustandekommen einer Beschaffenheitsvereinbarung verneint.
2. Verkehrslärmbelastung in Innenstadtlage
Kommt also keine Beschaffenheitsvereinbarung zustande, richtet sich der geschuldete Zustand nach der "Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB)".
Hierzu führt der BGH aus, dass durch die Straßenbauarbeiten zwar eine erhöhte Verkehrslärmbelastung gegeben sei. Der Mieter einer in der Berliner Innenstadt gelegenen Wohnung müsse jedoch jederzeit mit Straßenbauarbeiten größeren Umfangs und längerer Dauer rechnen. Solange sich die hierdurch bedingte Belastung in üblichen Grenzen halte, sei dies vo...