Leitsatz

1. Ist streitig, ob die Miete wegen eines Mangels gemindert ist, so muss der Mieter die Abweichung der Mietsache von der Soll-Beschaffenheit darlegen und beweisen. Der Vermieter trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die eine Beeinträchtigung des Mietgebrauchs als unerheblich erscheinen lassen.

2. Haben die Parteien keine konkrete Absprache über die Zusammensetzung der Mieterschaft getroffen, so ist der Vermieter in der Auswahl der Mieter frei. Ein Mangel liegt in einem solchen Fall nur vor, wenn wiederholt konkrete Anlässe oder Gefahrensituationen auftreten, die dem Besucher- oder Kundenkreis eines anderen Mieters zuzuordnen sind.

(Leitsätze der Redaktion)

 

Normenkette

BGB § 536

 

Kommentar

Gegenstand des Mietvertrags waren Büroräume zum Betrieb einer Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkanzlei im siebten Obergeschoss eines neu errichteten Hochhauses. Der Vermieter hatte die Mietsache in einem Exposé beworben und hierbei auf das "einmalige Ambiente", den besonderen "Blick" und die "angenehme Atmosphäre" hingewiesen. Nach dem Mietvertrag schuldete der Vermieter außerdem den Betrieb einer Zugangskontrollanlage an den jeweiligen Eingängen durch ein Codekartensytem.

In der Folgezeit hat der Vermieter einen Teil der im zweiten bis vierten und im achten Obergeschoss gelegenen Räume an die "Arbeitsgemeinschaft der Bundesagentur für Arbeit und des Landkreises Heilbronn" (ARGE) vermietet. Diese brachte in den Räumen die Hartz-IV-Abteilung, die Suchtberatungsstelle und die Schuldnerberatung unter. Im Hinblick auf den daraufhin einsetzenden umfangreichen Besucherverkehr wurde die Zugangskontrollanlage abgeschaltet. Seitdem wird der Eingangsbereich durch eine Aufsichtsperson überwacht. Der Büromieter hat die Miete wegen des Fehlens der elektronischen Zugangssperre und wegen der Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch die Besucher der ARGE gemindert. Die Instanzgerichte haben eine Minderung in Höhe von 15 % zuerkannt.

Der BGH hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben: Nach § 536 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Mieter nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Mietsache ("Ist-Beschaffenheit") von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit ("Soll-Beschaffenheit") abweicht und deshalb die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert ist. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt jedoch außer Betracht (§ 536 Abs. 1 S. 3 BGB). Im Streitfall muss der Mieter die Abweichung der Mietsache von der Soll-Beschaffenheit darlegen und beweisen. Der Vermieter trägt "die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die eine Beeinträchtigung des Mietgebrauchs ... als unerheblich erscheinen lassen".

1. Fehlende Zugangskontrolle

Soweit der Mieter die Minderung auf die fehlende Zugangskontrolle stützt, führt der BGH aus, dass insoweit zwar eine Abweichung von der Soll-Beschaffenheit vorliegt, weil die Ausstattung des Gebäudes mit einer elektronischen Zugangssperre vertraglich vereinbart war. Dies rechtfertigt aber nur dann eine Minderung, wenn dieser Umstand Auswirkungen auf den Mietgebrauch hat und die Beeinträchtigungen die Erheblichkeitsschwelle des § 536 Abs. 1 S. 3 BGB überschreiten. Nach Ansicht des BGH hat das Berufungsgericht hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

2. Qualität des Besucherverkehrs

Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, der Mieter dürfe aufgrund der Anpreisung des Mietobjekts als qualitativ besonders hochwertig und der relativ hohen Miete erwarten, dass die Besucher des Gebäudes zumindest durchschnittlichen Anforderungen gerecht werden. Bei der Vermietung von Räumen an eine Suchtberatungsstelle und Schuldnerberatung sei dies nicht gewährleistet, weil sich unter den Besuchern dieser Einrichtungen ein überdurchschnittlich hoher Anteil von "sozial auffällig gewordenen Personen" befinde. Deshalb bestehe die Möglichkeit, dass durch diesen Personenkreis die Besucher der übrigen Mieter gefährdet oder belästigt werden. Dies sei als Mangel der Mietsache zu bewerten.

Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Ohne besondere Absprachen ist der Vermieter nicht verpflichtet, auf ein bestimmtes "Milieuniveau" zu achten. Eine allgemein gehaltene Anpreisung der Mietsache, wie sie in Hinweisen auf ein "einmaliges Ambiente" oder eine "angenehme Atmosphäre" zum Ausdruck komme, reicht für die Annahme einer Absprache nicht aus. Haben die Parteien keine konkrete Absprache über die Zusammensetzung der Mieterschaft getroffen, ist der Vermieter in der Auswahl der Mieter frei.

Ein Mangel liegt in einem solchen Fall nicht bereits dann vor, wenn die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der anderen Mieter besteht. Erforderlich ist vielmehr, dass nicht nur vereinzelt, sondern "wiederholt konkrete Anlässe oder Gefahrensituationen auftreten, die dem Besucher- oder Kundenkreis eines anderen Mieters zuzuordnen sind".

3. Weiterer Verfahrensfortgang

Der BGH hat das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses soll klären, welche konkret...

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