1 Leitsatz
Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz (AVA) vom 6.7.2021 bedarf es für die Abgeschlossenheit einer Wohnung keiner aus dem Aufteilungsplan ersichtlichen Mindestausstattung i. S. v. § 3 Abs. 3 WEG.
2 Normenkette
§§ 3 Abs. 3, 5 Abs. 2; §§ 5, 8 AVA
3 Das Problem
Das Grundbuchamt meint, der Aufteilungsplan für das Erdgeschoss sei durch das Bezirksamt dahin zu ergänzen, dass der an den Innenhof grenzende Raum "WC" (im Folgenden: Badezimmer) mit der Nr. 2 zu kennzeichnen sei.
4 Die Entscheidung
Dies sieht das KG Berlin nicht so! Zwar genüge der Aufteilungsplan nicht den Anforderungen von § 7 Abs. 4 Satz 1 WEG. Denn es bestehe ein Widerspruch zwischen dem Grundriss und dem Aufteilungsplan.
Es sei aber nicht zwingend erforderlich, das Badezimmer zum Sondereigentum zu bestimmen. Zum einen dürfte mit dem nordöstlich abgetrennten kleinen Raum (im Folgenden: Gästetoilette) Wasserversorgung, Ausguss und WC innerhalb der Wohnung vorhanden sein. Zum anderen sei diese Mindestausstattung nach der AVA für die Abgeschlossenheit i. S. v. § 3 Abs. 3 WEG nicht mehr erforderlich. Denn die AVA sehe gesonderte Anforderungen für die Abgeschlossenheit von Wohnungen nicht mehr vor. Gemäß § 8 Abs. 1 AVA i. V. m. Anlage 1 werde lediglich bescheinigt, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 WEG vorlägen. Die Ansicht des Verordnungsgebers, inhaltliche Änderungen zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 19.3.1974 bestünden nicht (BR-Drs. 312/21 S. 9), finde im vorrangigen Wortlaut der AVA keine Stütze. Der gesetzliche Begriff "in sich abgeschlossen" erfasse zudem nur die Abgeschlossenheit im engeren räumlichen Sinn, um den Herrschaftsbereich klar und dauerhaft abzugrenzen, und keine bauordnungsrechtlichen Vorschriften.
Es sei auch nicht i. S. v. § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO inhaltlich unzulässig, ohne eine (aus den Plänen ersichtliche) Mindestausstattung für im Sondereigentum stehende Räume, Wohnzwecke gemäß § 1 Abs. 2 WEG zu bestimmen. Vielmehr sei es Sache des jeweiligen Sondereigentümers, etwaige bauordnungsrechtliche Vorgaben – wie z. B. den in einer Wohnung erforderlichen Einbau einer Toilette und einer Dusche – zu erfüllen.
5 Hinweis
Problemüberblick
Der Gesetzgeber hat u. a. die WEG-Reform zum Anlass genommen, die AVA zu ändern. Nach dem jetzt gültigen § 5 AVA sind Wohnungen und nicht zu Wohnzwecken dienende Räume bereits dann abgeschlossen, wenn sie baulich vollkommen von fremden Wohnungen und Räumen abgetrennt sind und einen eigenen abschließbaren Zugang unmittelbar vom Freien, von einem Treppenhaus oder einem Vorraum haben (der Zugang darf nicht über ein anderes Sondereigentum oder ohne dingliche Absicherung über ein Nachbargrundstück führen). Die AVA 2021 fordert für die Abgeschlossenheit also nicht, dass Wasserversorgung, Ausguss und WC innerhalb der Wohnung liegen, dass man also in einer Wohnung auch wohnen können muss.
Hiermit sollte allerdings keine inhaltliche Änderung verbunden sein. Nach den Materialien bestehen für die Abgeschlossenheit ausdrücklich keine inhaltlichen Änderungen zu Nr. 5 der AVA 1974. Folgt man den Materialien, so hat sich das Prüfungsprogramm der Baubehörden durch die AVA nicht geändert. Weiterhin sei der wohnungseigentumsrechtliche Begriff der Abgeschlossenheit zu prüfen. Diese Rechtslage beurteilt das KG Berlin anders. Es zieht aus der Änderung der AVA den Schluss, bei der Antragstellung für die Abgeschlossenheitsbescheinigung müsse nicht mehr angegeben werden, ob es sich bei Räumen um Wohnungen oder Nicht-Wohneinheiten handele. Von den Baubehörden sei daher auch nicht mehr zu prüfen, ob z. B. eine "Küche" oder ein "WC" vorhanden sei. Ob es so kommt, bleibt abzuwarten. Die Antwort hängt mit der Frage zusammen, ob es einen wohnungseigentumsrechtlichen Begriff der Abgeschlossenheit gibt. Dies aber dürfte zu bejahen sein (s. auch Schneider, Praktischer Umgang mit der AVA, ZfIR 2023, S. 116 (117)).
6 Entscheidung
KG Berlin, Beschluss v. 13.10.2022, 1 W 396/21