Prof. Dr. jur. Tobias Huep
2.1 Grundsätze
Das MiLoG schreibt einen verbindlichen gesetzlichen Rechtsanspruch für jeden Arbeitnehmer auf den gesetzlich festgelegten Mindestlohn vor. Es handelt sich dabei um einen eigenständigen Anspruch. Der Anspruch richtet sich gegen den Arbeitgeber von im Inland beschäftigten Arbeitnehmern. Gesetzliche Anspruchsgrundlage ist § 1 Abs. 1 MiLoG. Als gesetzlicher Anspruch unterliegt er nicht der insolvenzrechtlichen Anfechtung.
Auf der Ebene der EU besteht die Mindestlohn-Richtlinie. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten weder zur Einführung eines Mindestlohns noch gibt sie konkrete Vorgaben zur Höhe des Mindestlohns, sondern legt nur Anforderungen an die Ausgestaltung und Transparenz mitgliedstaatlicher Mindestlohnregelungen fest. Inwieweit der EU-Gesetzgeber mit der Mindestlohn-Richtlinie seine Gesetzgebungskompetenz im Hinblick auf das Verbot von Entgeltregelungen gemäß Art. 153 Abs. 5 AEUV überschritten hat, war von Beginn an umstritten und ist derzeit (Stand März 2025) Gegenstand eines EuGH-Verfahrens. Sofern die Mindestlohn-Richtlinie EU-widrig sein sollte, wäre das MiLoG der alleinige gesetzliche Rahmen der Mindestlohnregelung in Deutschland. Insbesondere eine gerichtliche Überprüfung seiner Auslegung am Maßstab der Richtlinie durch den EuGH entfiele zukünftig, für die Auslegung wäre allein die deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig.
Eine Verwirkung des Anspruchs oder ein Verzicht außerhalb eines gerichtlichen Vergleichs sind ausgeschlossen.
2.2 Anwendungsbereich
Das MiLoG ist grundsätzlich auf alle Arbeitsverhältnisse anwendbar. Insbesondere ist der Anspruch nicht auf Arbeitnehmer begrenzt, die ein Entgelt nur in Höhe des Mindestlohnanspruchs erhalten. Erfasst werden alle Arbeitgeber, die Arbeitnehmer im bundesdeutschen Inland beschäftigen, unabhängig von ihrem Sitz im In- oder Ausland.
Dabei sieht das Bundesverfassungsgericht hier in seinem Nichtannahmebeschluss v. 25.6.2015 Klärungsbedarf durch die Fachgerichte, ob ausnahmslos jede, auch nur kurzfristige Tätigkeit auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland eine Inlandsbeschäftigung darstellt. Weiterhin wirft es darin die Frage auf, ob eine Mindestlohnpflicht bei kurzzeitigen Einsätzen in Deutschland erforderlich ist, um die mit dem MiLoG verfolgten Ziele zu erreichen.
Keine Anwendung findet das Gesetz auf arbeitnehmerähnliche Personen.
Auf Arbeitnehmerseite bestehen Ausnahmen für nachfolgende Personengruppen:
Prozessual relevant ist, dass durch die gesetzliche Regel-Ausnahme-Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG ("es sei denn") eine Verschiebung der Darlegungs- und Beweislast erfolgt. Praktikanten i. S. d. § 26 BBiG sind also Arbeitnehmer i. S. v. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG, es sei denn, das Praktikum genügt den Anforderungen des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–4 MiLoG. Hierfür ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet.
Nachweispflicht für Praktika
In § 2 Abs. 1a NachwG sind die in eine Niederschrift aufzunehmenden wesentlichen Vertragsbedingungen den Besonderheiten des Praktikumsverhältnisses angepasst. Dazu gehören insbesondere Angaben über die mit einem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele sowie zur Dauer des Praktikums und zur Zahlung der Vergütung.
Für jedes Praktikum müssen Arbeitgeber mündlich vereinbarte Vertragsbedingungen schriftlich niederlegen. Das hat früher als bei anderen Arbeitnehmern zu geschehen, bei denen nach § 2 Abs. 1 NachwG die Niederschrift bis zu einem Monat nach dem vereinbarten ...