Prof. Dr. jur. Tobias Huep
1.4.1 Aufenthaltsrecht
Der Auslandseinsatz von Mitarbeitern erfordert neben den arbeitsrechtlichen Besonderheiten die Einhaltung und Wahrung öffentlich-rechtlicher Vorgaben des Einsatzstaates. Dies betrifft die vorbereitende Beantragung sämtlicher Aufenthaltstitel wie Visum, Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitsgenehmigung – dies gilt v.a. beim Einsatz in Nicht-EU-Staaten, während der Einsatz im EU aufgrund der umfassenden Arbeitnehmerfreizügigkeit regelmäßig lediglich Meldepflichten betrifft.
1.4.2 Sozialversicherungsrecht
Die Versicherungspflicht in der deutschen Sozialversicherung gilt gemäß § 3 Nr. 1 SGB IV grundsätzlich nur für Personen, die eine Beschäftigung innerhalb des territorialen Geltungsbereichs des Sozialgesetzbuches tatsächlich ausüben (sog. "Beschäftigungsstaatprinzip"). § 4 Abs. 1 SGB IV durchbricht dieses Prinzip als "Entsendung im Sinne einer Ausstrahlung" für Arbeitnehmer, die von Deutschland ins Ausland entsendet werden, wenn die Tätigkeit
- aufgrund ihrer Eigenart oder
- aufgrund einer anfänglichen vertraglichen Vereinbarung
von vornherein zeitlich begrenzt ist.
Dabei muss der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses weiterhin in Deutschland liegen. Auch der Auslandseinsatz von Mitarbeitern im Rahmen erlaubter Arbeitnehmerüberlassung kann sich als Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn darstellen. Unbeachtlich ist die Bezeichnung des Beschäftigungsverhältnisses, aber auch die Dauer des Auslandseinsatzes.
Erforderlich für eine Entsendung ist weiterhin:
- Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis wird nicht ruhend gestellt (anders als beim "Zweivertragsmodell").
- Der Mitarbeiter bleibt in den entsendenden Betrieb integriert und wesentliche Elemente des Beschäftigungsverhältnisses bleiben bestehen.
- Der Entgeltanspruch richtet sich weiterhin gegen den Arbeitgeber in Deutschland.
Die Tätigkeit im Ausland im "Home-Office" (auch auf Wunsch des Arbeitnehmers) mit Zustimmung des Arbeitgebers erfüllt diese Voraussetzungen ebenfalls.
Unbeachtlich sind für die Beurteilung
- die Staatsangehörigkeit,
- der Wohnsitz des Arbeitnehmers,
- der (gesellschaftsrechtliche) Sitz des Arbeitgebers,
- aber auch das arbeitsrechtlich anwendbare Vertragsstatut.
Allerdings genügt das Fortbestehen eines bloßen Rumpfarbeitsverhältnisses nicht. Insbesondere muss das Weisungsrecht in wesentlichen Bereichen beim bisherigen Arbeitgeber verbleiben. Ein Rückrufvorbehalt allein genügt insoweit nicht.
Die erstmalige Einstellung und Beschäftigung eines Mitarbeiters mit Wohnsitz im Ausland (sog. Ortskraft) begründet keine Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn. Dies gilt auch dann, wenn deutsches Recht vereinbart wird oder die Entgeltabrechnung in Deutschland erfolgt oder ein späterer Einsatz im Unternehmen in Deutschland beabsichtigt ist. Die Einstellungen von Mitarbeitern zum sofortigen Auslandseinsatz mit Wohnsitz oder Zuvor-Beschäftigung im Inland stellt dagegen eine Entsendung dar.
Vorrang zwischen- und überstaatlicher Regelungen
Vorrang kommt dabei zwischen- und überstaatlichen Regelungen und Abkommen zu, insbesondere auf EU-Ebene. Einen vollständigen Überblick über den Anwendungsvorrang des EU-Rechts, aber der sonstigen sozialversicherungsrechtlichen Abkommen in den verschiedenen Entsendungsfällen bietet die "Gemeinsame Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer".
Ist der Mitarbeiter kontinuierlich und zeitlich nicht von vornherein beschränkt sowohl im In- als auch im Ausland tätig, richtet sich die Sozialversicherungspflicht gemäß § 3 Nr. 1 SGB IV wechselnd nach den jeweiligen räumlichen Beschäftigungsabschnitten.
Sofern § 4 SGB IV eingreift, besteht Versicherungspflicht in allen Sozialsystemen (Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Unfallversicherung). Möglich ist aber auch das Eingreifen unterschiedlicher Regelungsebenen in einem Arbeitsverhältnis. Dies ist immer dann der Fall, wenn zwischenstaatliche Abkommen eingreifen, die nur partielle Regelungen für einzelne Zweige der Sozialversicherung enthalten.
Für Mitarbeiter, die im Rahmen ihres deutschen Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend im Ausland eingesetzt wird, gelten u. U. weiterhin die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit. Als Nachweis hierüber kann eine entsprechende Bescheinigung (z. B. innerhalb Europas die A1-Bescheinigung) ausgestellt werden. Die jeweiligen Voraussetzungen werden von der dafür zuständigen Stelle geprüft. Bei der A1-Bescheinigung handelt es sich um eine sozialrechtliche Bescheinigung für zeitweilige Erwerbstätigkeiten im EU-Ausland, den EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen sowie der Schweiz. Sie dokumentiert und belegt, dass der Arbeitnehmer bereits im Entsendestaat sozialversichert ist. Die Bescheinigung ist nicht nur für den Träger des Mitgliedsstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, sondern auch für die Gerichte dieses Mitgliedsstaats verbindlich. Allerdings beschränkt sich die Bindungswirkung auf Verpflichtungen, die sich aus den nationalen Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit ergeben.