Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Deutsche Tarifvertragsparteien haben eine Regelungskompetenz grundsätzlich nur für solche Arbeitsverhältnisse, die deutschem Arbeitsrecht unterliegen. Daran ändert die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags nichts, weil sie nur die fehlende Tarifbindung ersetzt, nicht aber den Geltungsbereich des Tarifvertrags erweitert. Die Anwendbarkeit deutscher Tarifverträge beschränkt sich räumlich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit "Ausstrahlungswirkung" im Einzelfall.
Ein nach deutschem Recht geschlossener Tarifvertrag erfasst das Arbeitsverhältnis eines im Ausland eingesetzten, tarifgebundenen Arbeitnehmers, wenn dieser vorübergehend seine Tätigkeit im Ausland erbringt. In einem solchen Fall ist keine ausdrückliche tarifliche Regelung zu Auslandseinsätzen erforderlich. Eine starre zeitliche Grenze für eine vorübergehende Auslandstätigkeit besteht nicht, sondern ist im konkreten Einzelfall zu bestimmen.
Arbeitsverhältnis unterliegen mangels Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Arbeitsvertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist. Der Arbeitsort wird regelmäßig durch den gewöhnlichen Einsatz- und Tätigkeitsort bestimmt und umfasst auch den nur vorübergehenden Einsatz im Ausland, z. B. auf einer Baustelle. Der Anwendbarkeit des Tarifvertrags steht dann auch nicht die Festlegung der Bundesrepublik Deutschland als räumlicher Geltungsbereich entgegen. Der Tarifvertrag bleibt auch bei vorübergehendem Einsatz der Arbeitnehmer im Ausland anwendbar.
Ein Tarifvertrag kann Regelungen zu Auslandstätigkeiten enthalten, die eingreifen, wenn der Arbeitsvertrag individualvertraglich deutschem Recht unterliegt. Bei Vereinbarung eines ausländischen Arbeitsvertragsstatuts ist dies nach der Rechtsprechung – auch bei allgemeinverbindlichen Tarifverträgen – abzulehnen. In diesem Fall kann es vielmehr zur Anwendung eines ausländischen Tarifvertrags kommen, sofern dessen Voraussetzungen i. Ü. vorliegen. Grenzen ergeben sich allenfalls für einzelne tarifvertragliche Regelungen aufgrund der zwingenden Schutznormen bzw. des Ordre-Public-Vorbehalts. Nach der Rechtsprechung finden allgemeinverbindliche Tarifverträge bei ausländischem Vertragsstatut weder unmittelbar noch über Art. 34 EGBGB bzw. Art. 9 Rom I-VO Anwendung: Eine allgemeinverbindliche Tarifnorm, die Arbeitsverhältnisse, die ausländischem Arbeitsstatut unterliegen, nicht erreicht, kann bereits keine Eingriffsnorm i. S. d. Art. 34 EGBGB bzw. Art. 9 Rom I-VO darstellen.
Eine auch Auslandseinsätze umfassende, individualvertragliche Direktionsrechtsklausel wird durch eine entsprechend enger gefasste Tarifvertragsklausel verdrängt.