1 Leitsatz
Eine verbessernde oder modernisierende Maßnahme, die sich nicht auf eine bloße Reparatur beschränkt, sondern den ursprünglichen Zustand verändert, kann eine Erhaltungsmaßnahme und keine bauliche Veränderung sein.
2 Normenkette
§§ 16 Abs. 2 Satz 1, 19 Abs. 1, 20, 21 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer bestimmen, dass in einen Schornstein zur Erhaltung ein Plastikrohr eingebracht werden soll. Fraglich ist, ob es sich bei der Maßnahme um eine bauliche Veränderung handelt.
4 Die Entscheidung
Das LG meint, es handele sich um eine Erhaltungsmaßnahme! Denn auch eine verbessernde oder modernisierende Maßnahme, die sich nicht auf eine bloße Reparatur beschränke, sondern den ursprünglichen Zustand verändere, könne eine Maßnahme der Erhaltung sein. Zwar werde in der Begründung zum WEMoG eine modernisierende Instandsetzung als eine "bauliche Veränderung" eingeordnet. Insoweit dürfte es sich jedoch um einen Redaktionsfehler handeln. Erklärtes Ziel der WEG-Novelle sei unter anderem die Beseitigung des Modernisierungsstaus gewesen. Dieses Ziel würde zum Teil verfehlt werden, wenn die Kosten für modernisierende Erhaltungsmaßnahmen nicht gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 von allen Wohnungseigentümern zu tragen wären. Ferner sei die Amortisation in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG geregelt worden, also in einer Norm, die ausschließlich die Kosten von baulichen Veränderungen zum Gegenstand habe. Die Kosten einer Maßnahme und deren Amortisation könnten aber nicht Abgrenzungskriterium für die Frage sein, ob es sich bei der Maßnahme um eine modernisierende Erhaltung oder um eine bauliche Veränderung handele. Im Übrigen passe auch die Definition der baulichen Veränderung nicht auf die modernisierende Erhaltungsmaßnahme.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Einordnung einer Maßnahme als bauliche Veränderung oder Erhaltung. Die wichtigste Folge für die Einordnung ist für die Wohnungseigentümer die Frage, wer die Kosten zu tragen hat: Alle Wohnungseigentümer (§ 16 Abs. 2 WEG) oder nur die, die für die Maßnahmen waren (§ 21 Abs. 3 WEG).
Begriff der Erhaltung
Dem Begriff der Erhaltung unterfallen nach bislang herrschender Meinung auch solche Maßnahmen, die eine zwischenzeitlich eingetretene technische Entwicklung berücksichtigen und über eine bloße Reparatur des gemeinschaftlichen Eigentums und eine Herstellung des bisherigen Zustands hinausgehen. Das LG meint, daran habe sich am 1.12.2020 nichts geändert. Das wird aber auch anders gesehen. Beispielsweise LG München I, Urteil v. 9.11.2022, 1 S 3113/22, ZMR 2023, 139 ordnet solche Maßnahmen den baulichen Veränderungen zu. Die Frage spielt zum Beispiel für den Einbau von neuen Heizungen eine große Rolle.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltungen sollten sich von den Wohnungseigentümern anweisen lassen, wie mit den Kosten entsprechender Maßnahmen zu verfahren ist. Zurzeit sind beide Haltungen gut vertretbar. Ferner sind Beschlüsse möglich, nämlich nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG oder § 21 Abs. 5 Satz 1 WEG. Der zweite dürfte zwar keiner ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen. Bleibt er aber unangefochten, dürften die Wohnungseigentümer in der Regel zufrieden sein.
6 Entscheidung
LG Berlin II, Urteil v. 29.2.2024, 85 S 52/23