Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 5 Abs. 1 WEG, § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG, § 43 Abs. 4 Nr. 1 WEG, § 45 Abs. 2 WEG, § 12 FGG
Kommentar
1. Energiezuleitungsrohre, die im Treppenhaus von der Steigleitung abzweigen und durch die Mauer des Treppenhauses zu einer Eigentumswohnung geführt werden, stehen im Gemeinschaftseigentum.
Sondereigentum kann nach § 5 Abs. 1 WEG nur sein, was ohne Beeinträchtigung fremden Sondereigentums oder des gemeinschaftlichen Eigentums verändert oder beseitigt werden kann. Die verfahrensgegenständlichen Zuleitungsrohre können nur durch einen Eingriff in das Gemeinschaftseigentum (neue Mauerdurchbrüche) anders verlegt werden (vgl. auch BayObLG, WEZ 1988, 417; KG Berlin, WE 1989, 97).
2. Die Herstellung eines Energieversorgungsanschlusses ist nur insoweit nach § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG zu dulden, als es um den Anschluss an eine bereits vorhandene Hauptleitung geht; der Anschluss an eine außerhalb des Hauses verlaufende öffentliche Versorgungsleitung ist als bauliche Veränderung zu beurteilen. Vorliegend ging es auch nicht um die Erneuerung der gesamten Heizungsanlage als Maßnahme der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG (die nicht als bauliche Veränderung anzusehen wäre), sondern um die Beheizungsmodernisierung jeweils nur für die Wohnung der Antragsgegnerseite (keine Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums!).
Unter bauliche Veränderungen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 WEG fallen alle auf Dauer angelegten Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums durch bauliche Maßnahmen, die weder der erstmaligen Herstellung des nach den Plänen oder der Baubeschreibung vorgesehenen oder sonst ordnungsgemäßen Zustands dienen noch Maßnahmen einer ordnungsgemäßen Instandhaltung oder Instandsetzung sind (BayObLG Z 1990, 120/122). Das Anbringen der Zuleitungsrohre dürfte somit als bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 WEG anzusehen sein.
Ob das Verlegen der Zuleitungsrohre zu einer nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindrucks des Treppenhauses führte, ist durch die Richter der Tatsacheninstanz zu beurteilen (Augenschein, ggf. Sachverständigengutachten), weshalb die Streitsache an das Landgericht zurückverwiesen wurde.
3. An einem Verfahren, in dem es um die Verlegung von Gasleitungen in einem Haus einer aus mehreren Häusern bestehenden Wohnanlage geht, sind auch die Wohnungseigentümer der übrigen Häuser zu beteiligen, da es im vorliegenden Verfahren um Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander geht, die sich aus der Gemeinschaft ergeben; sind alle Eigentümer materiell beteiligt, müssen sie auch formell beteiligt, d. h. zum Verfahren zugezogen werden; die Notwendigkeit der Beteiligung ergibt sich auch aus § 45 Abs. 2 WEG und ist außerdem ein Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs und der Sachaufklärung nach § 12 FGG. Ausnahmen von diesen Regelungen ( § 43 Abs. 4 Nr. 1 WEG) können nur bei eindeutigen, klar abzugrenzenden Fallgruppen zugelassen werden (wie hier nicht). Auch aus diesem Grund kam es zwingend zur Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung zu erneuter Verhandlung und Entscheidung.
4. Geschäftswert im Hinblick auf das Interesse aller Beteiligter DM 10.000,-.
Keine Kostenentscheidung, da das Landgericht auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens neuerlich zu entscheiden habe.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 12.11.1992, 2Z BR 96/92)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer