Alexander C. Blankenstein
2.1 Generelle Beschränkbarkeit
Die Wohnungseigentümer können den Gebrauch des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums durch Vereinbarung regeln. Als ordnungsmäßige Gebrauchsregelung nach § 19 Abs. 1 WEG ist auch das Musizieren innerhalb der eigenen 4 Wände beschlussweise z. B. durch eine Hausordnung beschränkbar. Es ist jedoch nicht möglich, das Musizieren generell zu untersagen. Möglich ist dagegen, die Musikausübung auf bestimmte Tageszeiten einzugrenzen.
Nach der Rechtsprechung des BGH können die Wohnungseigentümer eine Ruhezeit von 12 Uhr bis 14 Uhr und von 20 Uhr bis 8 Uhr vorsehen und in diesen Zeiträumen ein generelles Musizierverbot bestimmen. Hier haben die Wohnungseigentümer im Rahmen ihres Selbstorganisationsrechts einen entsprechenden Ermessensspielraum. Dieser ist durch den Grundsatz von Treu und Glauben nur insoweit eingeschränkt, als kein generelles Musizierverbot oder eine diesem praktisch gleichzusetzende Reglementierung beschlossen werden kann.
Folglich darf das Musizieren auf bestimmte Zeiten und in einem bestimmten Umfang begrenzt, jedoch nicht insgesamt verboten werden. Ruhezeiten in den Mittagszeiten und insbesondere ein abendliches Musizierverbot ab 20 Uhr stellen kein absolutes Musizierverbot dar. Den Hausbewohnern bleibt hier zu den übrigen Zeiten genügend Freiraum zum Musizieren.
Konkrete Regelungen!
Soweit die Eigentümergemeinschaft im Hinblick auf das Musizieren auch in o. a. Grenzen weit gehenden Gestaltungsraum hat, ist stets darauf zu achten, dass entsprechende Regelungen in einer Hausordnung oder auch im Beschlussweg konkret und hinreichend bestimmt sind. Eine Regelung jedenfalls, die das Singen und Musizieren außerhalb von Ruhezeiten nur in "nicht belästigender Weise und Lautstärke" gestattet, ist mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Schließlich müssen die betreffenden Eigentümer wissen, in welchen Fällen und unter welchen Umständen das Musizieren eine Belästigung darstellt, die zum völligen Verbot führen soll. Der einzelne Wohnungseigentümer muss erkennen können, welches Maß der Musikausübung außerhalb der festgesetzten Ruhezeiten noch gestattet und wann die zulässige Grenze überschritten ist.
Keine sachfremde Differenzierung
Enthält eine Hausordnung bereits Regelungen über Ruhezeiten, widerspricht ein Beschluss, der darüber hinaus ausdrücklich das Musizieren weiter einschränkt ordnungsmäßiger Verwaltung. Hierin liegt nämlich eine sachfremde Ungleichbehandlung, da für einzelne Geräuschemissionen unterschiedliche Zeiten gelten sollen.
Ob ein Musizierverbot wirksam vereinbart werden kann, etwa in der Gemeinschaftsordnung, ist umstritten und war noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des BGH. Ein Eingriff in den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentums dürfte man aber nicht annehmen können, da naturgemäß nicht jeder Wohnungseigentümer auch musiziert.
2.2 Maßstab des Einzelfalls
Bei der Festlegung von Ruhezeiten bzw. Zeiten eines Musizierverbots sind weiter die konkreten Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls – sprich der Eigenheiten der Wohnanlage – zu berücksichtigen. So dürfte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass ein größeres Maß an Rücksichtnahme von den musizierenden Bewohnern erwartet wird, sollte es sich um eine Seniorenwohnanlage handeln. Leben in einer Wohnanlage hauptsächlich ältere Menschen, so kann demnach auch eine Ausdehnung des Musizierverbots zulässig sein. Andererseits kann in einer Anlage mit über 200 Wohn- und Büroeinheiten keine Regelung beschlossen werden, nach der das Musizieren nicht länger als eine Stunde vormittags und eine Stunde nachmittags bis abends 20 Uhr gestattet ist. Dies gilt zumindest dann, wenn Wohnungs- und Teileigentum beliebig genutzt werden können. In einem solchen Fall ist es nämlich nahe liegend, dass auch Berufsmusiker oder Musikschulen ihr Sonder- oder Teileigentum entsprechend nutzen.
Weiter sind natürlich auch bauliche Gegebenheiten zu berücksichtigen wie der Abstand der Wohnungen zueinander, die Hellhörigkeit im Gebäude, der Pegel von Umgebungsgeräuschen und die Art des Musizierens.
Bedeutung von Immissionsrichtwerten
Feststellungen, ob Immissionsrichtwerte, wie sie sich aus der TA-Lärm oder der VDI-Richtlinie 2058 ergeben, eingehalten werden, führen im Bereich des häuslichen Musizierens regelmäßig zu einem nur eingeschränkten Erkenntnisgewinn. Einerseits kann der Musizierende im Grundsatz nicht zur Einhaltung bestimmter Richtwerte gezwungen werden. Ein unbefangenes Musizieren wäre nicht möglich, wenn leise Töne erlaubt, laute dagegen verboten würden. Andererseits wird eine zeitliche Begrenzung der Hausmusik trotz Einhaltung von Richtwerten häufig im Hinblick auf die Lästigkeit der Geräusche geboten sein. Als lästig können nicht nur die Besonderheiten des Übens (wie Tonleitern, abrupte Pausen, Wiederholungen und Fehler) und die Art des Instruments (hohe Frequenzen...