Kurzbeschreibung
Muster aus: av.1670 AnwaltFormulare, Heidel-Pauly, 10. Aufl. 2021 (Deutscher Anwaltverlag)
Muster 14.1: Vorlage an den EuGH
An den 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt
Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof
In der Sache _____
wird für die Beklagte beantragt,
das Verfahren bis zu einer Entscheidung des EuGH nach § 148 ZPO auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen (vgl. Art. 267 Abs. 2 AEUV):
1. |
Können selektive Vertriebssysteme, die auf den Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren gerichtet sind und primär der Sicherstellung eines "Luxusimages" der Waren dienen, einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen? |
2. |
Falls die Frage zu 1) bejaht wird: |
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Kann es einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen, wenn den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems pauschal verboten wird, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, ohne dass es darauf ankommt, ob im konkreten Fall die legitimen Qualitätsanforderungen des Herstellers verfehlt werden? |
Begründung:
In diesem Rechtsstreit geht es um die kartellrechtliche Zulässigkeit eines selektiven Vertriebssystems für Luxuswaren und dabei insbesondere um das Verbot des Internetverkaufs durch ein nach außen erkennbares Drittunternehmen.
Die Klägerin ist einer der führenden Anbieter von Luxuskosmetik, sogenannter "Depot-Kosmetik", in Deutschland. Sie vertreibt verschiedene Marken im selektiven Vertrieb auf der Grundlage eines sogenannten Depotvertrags. Die Beklagte vertreibt seit vielen Jahren als autorisierter Einzelhändler ("Depositär") die Produkte der Klägerin sowohl in stationären Absatzstätten als auch im Internet. Der Internetverkauf erfolgt zum Teil über einen eigenen Internet-Shop und zum Teil über die Plattform "amazon.de".
Im März 2012 hatte die Klägerin ihre Depotverträge überarbeitet. Nach einer Regelung in dem neuen Vertrag ist der Depositär grundsätzlich dazu berechtigt, die Produkte im Internet anzubieten und zu verkaufen. Dies gilt jedoch unter der Bedingung, dass der Depositär sein Internet-Geschäft als "elektronisches Schaufenster" des autorisierten Ladengeschäfts führt und dass hierbei der Luxuscharakter der Produkte gewahrt bleibt. Der Gebrauch einer anderen Geschäftsbezeichnung ist ausdrücklich untersagt. Gleiches gilt für die erkennbare Einschaltung eines Drittunternehmens, welches nicht von der Klägerin als Depositär autorisiert ist. Die Beklagte unterzeichnete das neue Vertragswerk nicht. Daraufhin erhob die Klägerin Klage beim Landgericht Frankfurt. Sie begehrte – unter Berufung auf die Internet-Zusatzvereinbarung des Depotvertrags – der Beklagten zu untersagen, die im Klageantrag genannten Markenprodukte über die Plattform "amazon.de" zu vertreiben. Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trug vor, dass der Internetvertrieb nicht pauschal verboten werde, sondern lediglich der Vertrieb über nicht autorisierte Drittplattformen. Die gegenständlichen Marken seien dem Bereich der Prestige- und Luxuskosmetik zuzuordnen. Käufer von Luxusprodukten würden eine den Produkten entsprechende hochwertige Präsentation und Verkaufsumgebung erwarten. Durch den Selektivvertrieb werde eine gleichartige Markenwahrnehmung sichergestellt, welche zur Stärkung der Marke beitrage. Dies müsse auch für den Internethandel gelten. Das streitgegenständliche Verbot sei unmittelbar qualitätsorientiert und qualitätsfördernd, weil es für den Außenauftritt an diejenige Kennzeichnung anknüpfe, unter welcher der Händler seine stationäre Fachhandelskompetenz nachgewiesen habe.
Die Beklagte erwiderte, dass die dem Händler im Rahmen des selektiven Vertriebssystems auferlegten Beschränkungen mit Rücksicht auf die Eigenschaften der Produkte, die Wahrung ihrer Qualität und die Gewährleistung ihres richtigen Gebrauchs nicht erforderlich sind. Sie bestreitet, dass der Verbraucher auch im Internet eine entsprechend hochwertige Verkaufsumgebung erwarte, vielmehr sei er an der bequemen und preisgünstigen Einkaufsmöglichkeit interessiert.
Der streitgegenständliche Anspruch ist nach dem Wortlaut der zwischen den Parteien abgeschlossenen Internet-Zusatzvereinbarung begründet. Allerdings könnte die Klägerin aus dieser Vereinbarung keine Rechte herleiten, wenn diese gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen würde und nicht nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt wäre.
Zu den Vorlagefragen
Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass es legitime Bedürfnisse geben kann, die eine Einschränkung des Preiswettbewerbes zu Gunsten anderer Wettbewerbsfaktoren rechtfertigen. Insofern fällt die Organisation eines Vertriebsnetzes der Art, wie es von der Klägerin betrieben wird, dann nicht unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die einheit...