Kurzbeschreibung
Muster aus: av.1591 Anwaltformulare Verkehrsrecht, Tietgens-Nugel, 8. Aufl. 2020 (Deutscher Anwaltverlag)
Muster 18.11: Argumente für eine Verwertung einer Dashcam-Aufnahme im Zivilprozess
Ob die Aufnahme gegen Datenschutzrecht verstößt und eine ggf. unzulässige Beweiserhebung stattgefunden hat kann vorliegend dahinstehen, da nach den Kriterien der Grundsatzentscheidung des BGH vom 15.5.2018 in jedem Fall kein Verwertungsverbot eingreift (BGH, Urt. v. 15.5.2018 – VI ZR 233/17 – juris). Denn selbst eine unterstellte Unzulässigkeit der Beweiserhebung führt nicht automatisch auch zu einem Beweisverwertungsverbot, sondern es kommt vielmehr auf eine umfassende Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen an – und diese geht vorliegend zugunsten desjenigen aus, welcher die Kamera eingesetzt hat.
Dies ist auch zu beachten, dass der Eingriff nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Sphärentheorie in der Öffentlichkeitssphäre stattfindet und damit das betroffene Grundrecht nicht besonders intensiv beeinträchtigt wird. De facto ist bei den Aufnahmen auch kaum ein konkreter Verkehrsteilnehmer zu erkennen und die Abfrage der Haltereigenschaft setzt ein konkretes berechtigtes Interesse im Einzelfall voraus, welches zulässiger Weise erst bei einem Unfallereignis als konkretem Anlass i.d.R. bejaht werden dürfte. Dabei ist auch zu beachten, dass sich der Betroffene zudem ohnehin einer ständigen Beobachtung durch die Teilnahme am Straßenverkehr aussetzt. Diesem gegenüber steht bei einem Verkehrsunfall mit einem entstandenen Fremdschaden das Interesse des Geschädigten an einer Aufklärung des Unfallgeschehens, welches bei der Verletzung von Personen ohnehin noch einmal deutlich an Bedeutung gewinnt. Dementsprechend ist es z.B. auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass ohne Wissen der Betroffenen angefertigte Videoaufnahmen bei einer Körperverletzung zur Aufklärung und Beweissicherung ohne weiteres im Rahmen einer Güterabwägung verwertbar sind (OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.5.1997 – 5 U 82/96 = NJW-RR 1998, 241). Dabei ist auch das öffentliche Interesse an einer wirksamen Zivilrechtspflege mit dem Ziel der Durchsetzung der materiellen Gerechtigkeit als weiterer Umstand zu beachten, zumal die Videoaufzeichnung nur den Sachverhalt erfasst und wiedergibt, den die Parteien ohnehin im Rahmen der prozessualen Wahrheitspflicht bei Gericht schildern müssten (Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622; Greger, NZV 2015, 114). Und zudem weist der BGH zutreffend daraufhin, dass das umfassende Aufklärungsinteresse an einem Verkehrsunfall sogar strafrechtlich über § 142 StGB geschützt wird. All dies spricht deutlich für eine Verwertbarkeit des vorgelegten Videos.
Dies entspricht auch der Empfehlung des Arbeitskreis VI des 54. Verkehrsgerichtstags, wonach eine solche Aufzeichnung bereits datenschutzrechtlich zulässig ist, wenn sie – wie auch in diesem Einzelfall – anlassbezogen, insbesondere bei einem (drohenden) Unfall, erfolgt oder bei ausbleibendem Anlass kurzfristig überschrieben wird und in diesem Fall erst recht in einem Zivilprozess verwertet werden kann.