Kurzbeschreibung
Muster aus: av.1591 Anwaltformulare Verkehrsrecht, Tietgens-Nugel, 8. Aufl. 2020 (Deutscher Anwaltverlag)
Muster 37.25: Einstellung wegen Rechtsverstoßes
An das Amtsgericht _________________________
Sehr geehrte _________________________,
nach inzwischen gewährter Akteneinsicht beantrage ich namens und in Vollmacht für den Betroffenen, das Verfahren nach § 47 OWiG einzustellen. (Nach eventuellen Ausführungen zum Tatvorwurf).
Das hier eingesetzte Geschwindigkeitsmessgerät Typ _________________________ gehört nicht der die Verkehrsüberwachung durchführenden Stadt _________________________, sondern es wird der Stadt durch die juristische Privatperson _________________________ "zur Verfügung gestellt". Das Messgerät verfügt über einen Eichschein vom 3.12.2014. Antragsteller der Eichung war die Fa. _________________________. Die Messung wird durch den Zeugen _________________________ durchgeführt, der für das Messgerät entsprechend geschult ist. Der Zeuge _________________________ ist allerdings kein Bediensteter der Stadt _________________________, sondern ist mit "gesondertem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag" seit dem _________________________ durch die Fa. _________________________ der Stadt _________________________ überlassen worden und für 20 Stunden pro Monat für die Stadt _________________________ tätig. Seine Tätigkeit beschränkt sich auf das wöchentliche Abfahren der Messsäulen, Einsammeln der Daten und das "Einspeisen der Daten in das System". Die Bildaufbereitung erfolgt anschließend durch die Fa. _________________________, die die von ihr vorselektierten Daten zur endgültigen Auswertung und Entscheidung über die Verfahrenseinleitung an die Stadt _________________________ übergibt. Die abschließende Entscheidung erfolgt dann durch (festangestellte) kommunale Bedienstete.
Die Fa. _________________________erhält für ihre Tätigkeit und dafür, dass sie der Stadt _________________________ das Messgerät, sowie den Zeugen _________________________ "überlässt", eine erfolgsabhängige Vergütung. Je mehr Bußgeldverfahren aus dem "zur Verfügung gestellten Messgerät" eingeleitet werden, desto höher ist der Ertrag für die Fa. _________________________.
Vorliegend hat der Bürgermeister der Stadt _________________________ als zuständige Ortspolizeibehörde unter bewusster und gewollter Umgehung zwingender gesetzlicher Vorschriften Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, bei denen die Beweismittel nicht durch den Hoheitsträger, sondern durch einen sog. privaten Dienstleister, – die Fa. _________________________ –, erhoben worden sind.
Die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 47 Abs. 1 OWiG gehören als typische Hoheitsaufgabe jedoch zum Kernbereich staatlicher Hoheitsausübung, für die im Fall von Verkehrsordnungswidrigkeiten gemäß § 26 Abs. 1 StVG Behörden oder Polizeidienststellen zuständig sind. Eine eigenverantwortliche Wahrnehmung dieser Aufgaben durch Privatpersonen ist ausgeschlossen. Die hier vorliegende technische Hilfe von Privatpersonen bei Ermittlungshandlungen hat zudem keinen sachlichen Grund und greift missbräuchlich in Bereiche ein, die ausschließlich dem Hoheitsträger vorbehalten sind.
Selbst wenn das erkennende Gericht ein Beweisverwertungsverbot verneinen wollte, ist die Verfolgung der Handlung des Betroffenen als ahndungswürdig nicht geboten im Sinne des § 47 OWiG. Die staatliche Verkehrsüberwachung umfasst präventive und repressive polizeiliche Aktivitäten im Verkehrsraum zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Sie ist eine hoheitliche Aufgabe der Gefahrenabwehr und wird durch die Polizeibehörden und allgemeine Ordnungsbehörden wahrgenommen. Sie ist vorrangig darauf ausgerichtet, Verkehrsunfälle, insbesondere mit schweren Folgen, zu verhüten und sonstigen Verkehrsgefahren entgegen zu wirken. Darüber hinaus dient sie auch dem Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsbeeinträchtigungen insbesondere durch Lärm und Abgase sowie der Leichtigkeit des Verkehrs. Keine derzeit bekannte gesetzliche Vorschrift verknüpft die Verkehrsüberwachung jedoch mit der Möglichkeit der fiskalischen Sanierung von kommunalen Haushalten und/oder mit der Erstellung privatwirtschaftlicher Geschäftsmodelle, bei denen die staatlichen Bußgelder als Bezahlung für private Dienstleistungen dienen. Wenn wie hier bereits rechtlich nicht sichergestellt ist, dass es sich überhaupt um eine hoheitliche Maßnahme handelt, kann der Betroffene nicht mit den Nachteilen eines ihn möglicherweise sanktionierenden Verfahrens belastet werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.4.2017 – 2 Ss-OWi 295/17 = NStZ 2017, 588).