2.2.1 Das Nebeneinander von höherem und niedrigerem Gebäude
Höhendifferenz
Übereinstimmend fordern die einschlägigen Landesvorschriften zunächst, dass zwischen dem erhöhten und dem dadurch benachteiligten Gebäude eine Höhendifferenz bestehen muss, die sich nachteilig auf die Zug- und Saugwirkung von Schornsteinen und Lüftungsleitungen des niedrigeren Gebäudes auswirkt. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Höhendifferenz aus dem größeren Baukörper des höher gebauten Gebäudes folgt oder sich daraus ergibt, dass das höher gebaute Gebäude das angrenzende Gebäude nur wegen eines unterschiedlichen Bodenniveaus (etwa bei Hanglage) überragt.
Grenzbebauung
Hinzu kommen muss, dass die Gebäude aneinander angrenzen, also an einer gemeinsamen Grundstücksgrenze liegen. Denn je weiter sie voneinander entfernt sind, desto weniger kann schon aus physikalischen Gründen das höhere Gebäude die Zug- und Saugwirkung der Schornsteine und Lüftungsleitungen des niedrigeren Gebäudes negativ beeinflussen und umso weniger kann das höhere Gebäude aus technischen Gründen zum Höherführen dieser Anlagen genutzt werden.
Bauzeit
Dabei machen die Landesvorschriften keinen Unterschied dahingehend, ob das störende höhere Gebäude als erstes oder erst nachträglich errichtet wurde.
2.2.2 Die Notwendigkeit der Höherführung von Schornsteinen und Lüftungsleitungen
Beeinträchtigung der Betriebsfähigkeit
Das grenznahe Nebeneinander von höherem und niedrigerem Gebäude muss zur Folge haben, dass die ansonsten vorhandene Betriebsfähigkeit der Schornsteine und Lüftungsleitungen des niedrigeren Gebäudes infolge dieser Höhendifferenz beeinträchtigt ist und diese technischen Anlagen zur Wiederherstellung ihrer Funktionsfähigkeit höher geführt werden müssen. Die Notwendigkeit einer solchen Erhöhung wird sich im Allgemeinen aus einer Anordnung des Bezirksschornsteinfegers oder aus der Feststellung eines Lüftungssachverständigen ergeben.
Eine Verpflichtung zur Höherführung eines Schornsteins kann aber auch aus einer immissionsschutzrechtlichen Anordnung zum Schutz des höher bauenden Nachbarn vor Rauchbelästigungen folgen.
Duldungspflicht
Das Höherführen von freistehenden Schornsteinen oder Lüftungsleitungen auf dem niedrigeren Gebäude kann aber nicht nur sehr teuer kommen, sondern auch statische Probleme aufwerfen und schließlich gegen die Grundsätze der Baugestaltung verstoßen. Deshalb legen die einschlägigen Landesvorschriften dem höher bauenden Nachbarn eine Duldungspflicht dahingehend auf, dass die Schornsteine und Lüftungsleitungen des niedrigeren Gebäudes an der Außenwand seines Gebäudes befestigt werden dürfen. Wie dies im Einzelnen zu geschehen hat, richtet sich nach den technischen Erfordernissen. In der Regel wird ein direkter Anbau an das höhere Gebäude in Betracht kommen. Möglich ist aber auch eine Verbindung von freistehend hoch geführten Schornsteinen oder Lüftungsleitungen durch Verstrebungen, die in der Wand des höheren Gebäudes verankert werden.
2.2.3 Die Unterhaltung und Reinigung der höher geführten Anlagen
Nutzung des höheren Gebäudes
Die Unterhaltung und Reinigung der unter Nutzung des Nachbargebäudes höher geführten Schornsteine und Lüftungsleitungen wird häufig von dem niedrigeren Gebäude aus nicht möglich sein. Deshalb erweitern die einschlägigen Landesvorschriften die Duldungspflicht des höher bauenden Nachbarn insoweit, als die hoch geführten Schornsteine und Lüftungsleitungen auch vom höheren Gebäude aus unterhalten und gereinigt und die hierzu notwendigen Einrichtungen (etwa Laufbretter, Standvorrichtungen, die ein gefahrloses Arbeiten ermöglichen, Steigleitern) an dem höheren Gebäude angebracht werden dürfen, soweit dies erforderlich ist.
Diese Befugnis schließt das Recht zum Betreten des Nachbargrundstücks ein, ohne aber so weit zu gehen, dass auch die Wohnung des Nachbarn betreten werden darf. Hierfür fehlt es an gesetzlichen Grundlagen (Art. 13 GG). Etwas anderes gilt nur für den Schornsteinfeger (Kaminkehrer). Dieser ist nach § 1 Abs. 3 Schornsteinfegergesetz befugt, bei einem dem Kehrzwang unterworfenen Gebäude nicht nur das Gebäudegrundstück, sondern auch die Räume des Gebäudes zu betreten. Insoweit wird das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG ausdrücklich gesetzlich eingeschränkt.
Einschränkung
Der zur Duldung verpflichtete Nachbar kann den Umfang der Benutzung seines Grundstücks für Reinigungs- und Wartungsarbeiten dadurch einschränken, dass er den Berechtigten darauf verweist, über eine an der Außenwand seines höheren Gebäudes anzubringende Steigleiter die erforderlichen Arbeiten zu erledigen, soweit dies technisch machbar und ausreichend ist. Eine derartige Einschränkung der Duldungspflicht gibt es in Berlin (§ 19 Abs. 2 Nrn. 2 NRG), Brandenburg (§ 25 Abs. 2 Nr. 2 NRG), Hessen (§ 36 Abs. 2 Satz 2 NRG), Niedersachsen (§ 49 Abs. 2 Satz 2 NRG), Rheinland-Pfalz (§ ...