Leitsatz
Geschiedene Eheleute stritten um den nachehelichen Ehegattenunterhalt, der zunächst durch Urteil vom 19.12.1995 tituliert worden war. Seinerzeit bestand wegen der Erziehung der Kinder während der Ehezeit durch die Ehefrau und die nach damaligen Vorstellungen lange Ehedauer keine Möglichkeit der Begrenzung oder Befristung. Das AG hatte dem Abänderungsbegehren des geschiedenen Ehemannes stattgegeben und den Wegfall des durch Urteil vom 19.12.1995 titulierten Aufstockungsunterhalts ab Zustellung der Abänderungsklage festgestellt. Der Antrag der geschiedenen Ehefrau auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre Rechtsverteidigung blieb ohne Erfolg. Auch die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde zurückgewiesen.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts hinsichtlich des Fortfalls der Unterhaltsverpflichtung des Klägers ab Zustellung der Abänderungsklage. Aufgrund der Änderung der Gesetzeslage ab 1.1.2008 liege eine wesentliche Änderung der wesentlichen Verhältnisse vor, die für die Titulierung des nachehelichen Unterhalts maßgeblich gewesen seien.
Bei Verkündung des Urteils am 19.12.1995 habe wegen der damaligen Verhältnisse und den damaligen Vorstellungen keine Möglichkeit der Begrenzung des titulierten Unterhaltsanspruchs bestanden.
Eine Herabsetzung und Befristung des Anspruchs auf Geschiedenenunterhalt nach § 1578b Abs. 1, Abs. 2 BGB setze voraus, dass ein nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessener, zeitlich unbegrenzt gewährter Unterhalt unbillig wäre. Bei der Billigkeitsabwägung sei gemäß § 1578b Abs. 2, Abs. 1 S. 2 BGB insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten seien, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
Ehebedingte Nachteile in diesem Sinne seien z.B. anzunehmen, wenn wegen der Ehe eine berufliche Ausbildung nicht fortgeführt worden sei und der Wiedereinstieg in den vor der Ehe ausgeübten Beruf ausgeschlossen oder erschwert sei. Das Vorliegen ehebedingter Nachteile sei dabei anhand eines Vergleichs des tatsächlich erzielten mit dem fiktiv bei nicht unterbrochener Erwerbstätigkeit möglichen Einkommens zu beurteilen (Schürmann in Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess, 5. Aufl. 2009, Kap. 1 Rz. 1028; vgl. auch BGH FamRZ 2007, 200):
Ließen sich ehebedingte Nachteile feststellen, so schränke dies die Möglichkeit einer Befristung und Begrenzung des Unterhalts regelmäßig ein (BGH NJW 2009, 2450).
Vielmehr gelte, dass nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung desto eher eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung in Betracht komme, je geringer die ehebedingten Nachteile seien (Wendl/Staudigl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. 2008, § 4 Rz. 587).
Im vorliegenden Fall seien nach Auffassung des OLG aufseiten der geschiedenen Ehefrau ehebedingte Nachteile nicht ersichtlich. Die Beklagte sei bei Eheschließung bis 1977 technische Angestellte und während der Ehe nach der Geburt des Sohnes nicht erwerbstätig gewesen. Nach einer Umschulung habe sie ab Mai 1993 mit einer Halbtagsbeschäftigung als Angestellte wieder begonnen und sei unterhaltsrechtlich für die Zeit ab Dezember 2005 mit einer Vollzeittätigkeit fingiert. Wenn die Beklagte dieser Verpflichtung zu einer Vollzeittätigkeit nachgekommen wäre, stünde sie nach der Ehe nicht schlechter als vor der Ehe. Die berufliche Entwicklung sei durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe nicht beeinträchtigt. Insoweit trage die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Sie habe konkret nicht vorgetragen, dass und welche Karrierechancen ihr durch die Unterbrechung der Berufstätigkeit als technische Angestellte während der Ehezeit genommen worden seien.
Ausgehend von einem fiktiven Einkommen der Beklagten wären die ehebedingten Nachteile aus einer ehebedingten Unterbrechung ihrer Berufstätigkeit ausgeglichen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Ehe der Parteien seit 24 Jahren geschieden sei und der Kläger an die Beklagte seit der Scheidung durch freiwillige Zahlungen und titulierte Unterhaltsbeträge erheblichen nachehelichen Unterhalt geleistet habe.
Das eigene Einkommen der Beklagten als Rentnerin liege bei insgesamt ca. 1.400,00 EUR monatlich und somit erheblich über dem großen Selbstbehalt von monatlich 1.000,00 EUR.
Eine Berufung der Beklagten auf den Vertrauensgrundsatz gemäß § 36 Nr. 1 EGZPO hielt das OLG für nicht vertretbar. Auch ein Vertrauensgrundsatz dahingehend, dass Ansprüche nach früherer höchstrichterlicher Rechtsprechung auch dauerhaft erhalten blieben, bestehe nicht.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 27.11.2009, 10 WF 140/09