Leitsatz

Gegenstand dieser Entscheidung war u.a. die Frage, ab wann ein Anspruch auf Altersunterhalt besteht und ab welchem Alter eine Erwerbsobliegenheit des unterhaltsbegehrenden Ehegatten von vornherein ausscheidet.

 

Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung nachehelichen Unterhalts. Sie waren seit September 2011 rechtskräftig geschieden. Aus ihrer Ehe waren zwei Kinder hervorgegangen. Beide waren volljährig, aber wohnten im Haushalt des Antragsgegners und wurden von ihm unterhalten.

Die fast 60 Jahre alte Antragstellerin war nicht erwerbstätig. Sie hatte ihren Unterhaltsbedarf konkret mit 3.557,50 EUR beziffert.

Der Antragsgegner trat dem Unterhaltsbegehren entgegen und wandte ein, sein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit sei nie in vollem Umfang zur Lebensführung der Familie verwandt worden. Er habe es teilweise zur Sicherstellung der Liquidität in den Firmen belassen. Zur Deckung des Familienbedarfs hätten stets 6.500,00 EUR zur Verfügung gestanden.

Das erstinstanzliche Gericht hat den Antragsgegner zur Zahlung nachehelichen Unterhalts i.H.v. 2.991,50 EUR verpflichtet. Hiervon entfielen 2.384,00 EUR auf den Elementarunterhalt, 250,00 EUR auf den Altersvorsorgeunterhalt und 357,50 EUR auf den Krankenvorsorgeunterhalt.

Hiergegen wandte sich der Antragsgegner mit der Beschwerde und verfolgte sein erstinstanzliches Begehren auf Abweisung des Unterhaltsantrages weiter.

Sein Rechtsmittel erzielte einen Teilerfolg.

 

Entscheidung

Das OLG änderte das erstinstanzliche Urteil ab und verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung geringeren Unterhalts als erstinstanzlich ausgeurteilt worden war.

Die Antragstellerin habe lediglich Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB, weil die Einkünfte, die sie aus ihr zumutbaren angemessenen vollschichtigen Erwerbstätigkeit erzielen könnte, zur Deckung ihres vollen Unterhalts nicht ausreichten.

Ihr Lebensalter stehe einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Anspruch auf Altersunterhalt sei regelmäßig erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze gegeben. Die Antragstellerin sei nach Beendigung des ersten Trennungsjahres, spätestens jedoch seit Sommer 2009, zur Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet gewesen. Zwar sei es für die bei Eintritt der Erwerbsobliegenheit nahezu 60 Jahre alte Antragstellerin sicher schwieriger, einen Arbeitsplatz zu finden als für eine jüngere Bewerberin. Dies allein spreche jedoch nicht gegen ihre Vermittelbarkeit.

Bei besonders guten wirtschaftlichen Verhältnissen sei der Teil der Einkünfte, der nach einem objektiven Maßstab nicht für die Lebensführung benötigt werde, nicht prägendes Einkommen und deshalb bei der Bedarfsbemessung unberücksichtigt zu lassen. Abzustellen sei auf das tatsächliche Konsumverhalten der Ehegatten während der Ehe. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das hohe Einkommen für den allgemeinen Lebensbedarf zur Verfügung gestanden habe, trage die Unterhaltsberechtigte.

Für Bedarfsbemessung sei ihr fiktiv ein erzielbares Einkommen aus einer vollschichtigen Tätigkeit von 1.000,00 EUR abzüglich 5 % berufsbedingte Aufwendungen zuzurechnen. Dieses sei noch um ein Anreizzehntel auf 855,00 EUR zu bereinigen.

Nach Anrechnung des Wohnvorteils und der Zinseinkünfte verfüge sie über rund 1.621,00 EUR. Beim Antragsgegner sei neben dem Erwerbseinkommen von 6.500,00 EUR ebenfalls ein Gebrauchsvorteil des mietfreien Wohnens mit 1.000,00 EUR zu berücksichtigen. Abzuziehen sei der Unterhaltsbedarf der beiden volljährigen Kinder sowie der an die Antragstellerin zu zahlende Altersvorsorgeunterhalt von monatlich 250,00 EUR sowie der Erwerbsanreiz von 1/10, so dass rund 5.531,00 EUR verblieben.

Aus den beiderseitigen prägenden Einkünften der Beteiligten errechne sich ein nicht durch eigene Einkünfte gedeckter Elementarunterhaltsbedarf der Antragstellerin von 1.955,00 EUR.

Dieser nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessene Unterhaltsanspruch sei gemäß § 1587b Abs. 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf der Antragstellerin herabzusetzen, weil ein dauerhafter voller Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Eine Befristung komme aufgrund der fortbestehenden ehebedingten Nachteile nicht in Betracht.

 

Hinweis

Für den im Unterhaltsrecht tätigen Praktiker ist festzuhalten, dass vor Erreichen der Altersgrenze weder ein Anspruch auf Altersunterhalt besteht, noch eine Erwerbsobliegenheit des geschiedenen Ehegatten von vornherein ausscheidet.

Auch bei älteren Unterhaltsberechtigten bleibt es bei der allgemeinen Darlegungs- und Beweislast.

Wird die Erwerbsobliegenheit ignoriert und werden Erwerbsbemühungen herausgeschoben, kann die Berechtigte später kaum noch mit dem Einwand gehört werden, sie sei jetzt alters- oder krankheitsbedingt nicht in der Lage, eine Tätigkeit zu finden.

 

Link zur Entscheidung

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.10.2011, 2 UF 77/11

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