Leitsatz
Der BGH befasst sich in dieser Entscheidung mit der verfassungsrechtlichen Prüfung des § 1578b BGB im Hinblick auf die Unbestimmtheit der gesetzlichen Regelung. Gegenstand der Entscheidung ist ferner die Befristung von Krankheitsunterhalt an sich und die Billigkeitskriterien, die bei der Festlegung des im Einzelfall gebotenen Maßes an nachehelicher Solidarität heranzuziehen sind.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über die Befristung nachehelichen Krankheitsunterhalts. Ihre elfjährige Ehe war kinderlos geblieben. Zum Zeitpunkt der Scheidung im Jahre 1997 war die Ehefrau 35 Jahre alt. Sie litt an einer paranoiden Psychose. Diese Krankheit hatte ihre Wurzeln in der Kindheit, war jedoch erst durch Ehekrise und Trennung der Parteien im Jahre 1996 zutage getreten und führte zu einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit.
Der Ehemann zahlte seit der Scheidung Krankheitsunterhalt, der fünf Jahre nach der Scheidung auf ca. 820,00 EUR herabgesetzt wurde.
Mit seiner Klage begehrte er nunmehr nach neuem Recht die Befristung des Unterhalts und berief sich auf die Unbilligkeit weiterer Unterhaltszahlungen.
Das AG hat den zu leistenden Unterhalt bis November 2008 befristet. Das KG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtete sich die vom KG zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebte.
Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Entscheidung
Der BGH hat die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen und für das weitere Verfahren den Hinweis erteilt, dass der Unterhalt zu befristen sein dürfte.
Bei einer Dauer der Ehe von nicht mehr als elf Jahren und einem Alter der Beklagten von 35 Jahren bei Scheidung der kinderlosen Ehe entspreche eine unbefristete und somit lebenslange Unterhaltspflicht nicht mehr der Billigkeit. Dem stehe auch nicht ohne weiteres entgegen, dass die Unterhaltsberechtigte durch den Wegfall des Unterhalts sozialleistungsbedürftig werde.
Der BGH führt in seiner Entscheidung weiter aus, dass im Rahmen der Begrenzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578b BGB eine umfassende Interessenabwägung erfolgen müsse. Die Zubilligung von Krankheitsunterhalt beruhe allein auf der fortwirkenden nachehelichen Solidarität. Die Krankheit eines Ehegatten selbst stelle in der Regel keinen ehebedingten Nachteil dar, selbst wenn sie aus persönlichen Umständen resultiere, die mit dem Scheitern der Ehe zusammen hingen.
Ehebedingte Nachteile seien vornehmlich aus der Rollenverteilung in der Ehe resultierende Einbußen. Sei - wie hier im vorliegenden Fall - eine psychische Erkrankung durch das Scheitern der Ehe verursacht, handele es sich um eine schicksalshafte Entwicklung und keinen ehebedingten Nachteil.
Auch wenn in einer Erkrankung der Unterhaltsberechtigten ein ehebedingter Nachteil nicht zu sehen sei, sei die Befristung als gesetzliche Ausnahme nur bei Unbilligkeit eines weitergehenden Unterhaltsanspruchs begründet. In die Billigkeitsabwägung seien Ehedauer, Gestaltung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe und die Dauer der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder einzubeziehen. Der Umfang einer geschuldeten nachehelichen Solidarität sei letztendlich auch danach zu bemessen, inwieweit der Unterhaltspflichtige bei Beachtung seiner eigenen Einkünfte bereits belastet sei und zukünftig belastet werde und inwieweit der Unterhalt tituliert oder vereinbart sei und damit dem Berechtigten einen größeren Vertrauensschutz gewähre.
Der BGH hielt entgegen der Auffassung der Revision die Regelung des § 1578b BGB nicht wegen Unbestimmtheit für verfassungswidrig. Dem Gesetzgeber sei es nicht verwehrt, sich auf konkretisierungsbedürftige Grundaussagen und Generalklauseln zu beschränken und den Gerichten damit einen breiten Spielraum zur Beurteilung eines Einzelfalls unter Zumutbarkeits- und Billigkeitsgesichtspunkten zu geben.
Hinweis
Die Entscheidung des BGH bestätigt erneut, dass die Befristung des Krankheitsunterhalts auch für Altfälle mit dem neuen Unterhaltsrecht bewusst geregelt worden ist.
Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Tatsachen, die zu einer Befristung oder Beschränkung des Unterhalts führen können, trägt der Unterhaltspflichtige.
Billigkeitsfragen bereiten in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten, weil die Parteien selten zu den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten umfassend vortragen. Es kann nur dringend dazu angeraten werden, zu den Billigkeitsgesichtspunkten möglichst detailliert vorzutragen, um den Gerichten im Rahmen einer Gesamtabwägung Entscheidungskriterien an die Hand zu geben.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 30.06.2010, XII ZR 9/09