Leitsatz
In dieser Entscheidung hat der BGH sich insbesondere mit der Berechnung des ehebedingten Nachteils befasst und Kriterien für die Ermittlung eines ehebedingten Nachteils dargelegt.
Sachverhalt
Die Ehe der Parteien war im Jahr 2000 rechtskräftig geschieden worden. Der Kläger begehrte die Abänderung eines Urteils über die Zahlung von Aufstockungsunterhalt.
Aus der Ehe der Parteien waren drei in den Jahren 1974, 1977 und 1981 geborene Kinder hervorgegangen. Die im Jahre 1951 geborene Beklagte war bis zur Geburt des ersten Kindes als Erzieherin tätig, in den darauf folgenden 24 Jahren war sie Hausfrau und Mutter ohne eigene Berufstätigkeit.
Kurz vor der Ehescheidung nahm sie eine Teilzeitbeschäftigung als Erzieherin auf, die sie später aufstockte. Dieses Arbeitsverhältnis wurde betriebsbedingt im März 2007 gekündigt. Seit April 2007 arbeitete die Beklagte in befristeten Arbeitsverhältnissen in ihrem erlernten Beruf, zuletzt mit einer 87 %-Stelle.
Das AG hat den Kläger verurteilt, an die Beklagte monatlichen Unterhalt zu zahlen. Auf die Abänderungsklage des Klägers hat das AG den Aufstockungsunterhalt befristet. Im Berufungsverfahren wurde die Befristung des Aufstockungsunterhalts abgelehnt und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtete sich die Revision des Klägers.
Entscheidung
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.
In Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung (BGH v. 11.8.2010 - XII ZR 102/09 in FamRZ 2010, 1637 und BGH v. 6.10.2010 - XII ZR 202/08 in FamRB 2011, 3 ff.) hat er dargelegt, dass die Feststellung aller für die Billigkeitsentscheidung gemäß § 1578b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ebenso wie die Billigkeitsabwägung Aufgabe des Tatrichters sei und vom Revisionsgericht nur begrenzt daraufhin überprüft werden könne, ob wesentliche Umstände unberücksichtigt geblieben oder Beweisregeln verkannt worden seien. Eine begrenzte Überprüfung des Revisionsgerichts bestehe auch hinsichtlich der Frage, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei ohne Verstoß gegen Denk- oder Erfahrungsgesetze auseinandergesetzt habe.
Nach Auffassung des BGH wurde das Berufungsurteil diesen Maßstäben nicht gerecht. Den im Rahmen des § 1578b BGB gezogenen Schlussfolgerungen lägen keine entsprechenden Feststellungen zugrunde. Die zwischenzeitlich eingetretene unsichere Beschäftigungslage der Beklagten durch die befristeten Arbeitsverträge sei nicht zwingend eine Folge der während der Ehe eingelegten Berufspause, weil das Risiko einer betriebsbedingten Kündigung auch bei durchgehender Tätigkeit bestanden hätte.
Das Berufungsgericht habe auch offen gelassen, welchen angemessenen Lebensbedarf es aufseiten der Beklagten zugrunde gelegt habe. Insoweit habe es lediglich ausgeführt, dass sie sich in ihrem erlernten Beruf weiterentwickelt hätte, damit über Einkommen aus einer höheren Lohngruppe verfügen würde und der titulierte Unterhalt der Höhe nach dem erlittenen Nachteil entspreche.
Hinweis
In dieser Entscheidung hat der BGH auch noch einmal zur Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten hinsichtlich seiner hypothetischen beruflichen Einkommensentwicklung Stellung genommen. Die Darlegungslast beurteilt der BGH unterschiedlich. Mache der Unterhaltsberechtigte übliche Einkommenserhöhungen durch entsprechende Berufsjahre und Berufserfahrung geltend, reiche dieses Vorbringen aus. Dies lasse sich insbesondere durch die Tarifverträge ermitteln, die gestaffelte Einkünfte nach Berufsjahren vorsähen. Diesen lasse sich entnehmen, welcher Tarifgruppe der Unterhaltsberechtigte zuzuordnen wäre, wenn er ohne die Ehe durchgehend erwerbstätig gewesen wäre.
Der Unterhaltsberechtigte, der hingegen einen beruflichen Abstieg behauptet, muss darlegen, aufgrund welcher Umstände er eine entsprechende Karriere gemacht hätte. Der BGH benennt hierzu beispielhaft Umstände wie Fortbildungsbereitschaft, bestimmte Befähigungen, Neigungen und Talente.
Eine sehr lesenswerte Entscheidung des BGH zur Bemessung des ehebedingten Nachteils.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 20.10.2010, XII ZR 53/09