Leitsatz
Gegenstand der Entscheidung war die Frage, nach welcher Methode der Bedarf gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB in Bezug auf den Begriff der ehelichen Lebensverhältnisse zu bestimmen ist, wenn der Unterhaltspflichtige sowohl einem geschiedenen als auch einem neuen Ehegatten Unterhalt schuldet.
Sachverhalt
Die Parteien hatten im Jahre 1978 geheiratet und sich im Mai 2002 getrennt. Ihre Ehe wurde mit Urteil vom 12.4.2005 rechtskräftig geschieden. Kinder waren aus der Ehe nicht hervorgegangen.
Die Parteien hatten im Verbundverfahren einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtet hatte, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt i.H.v. 600,00 EUR monatlich zu zahlen.
Der Kläger war nach wie vor als Lehrer berufstätig und erzielte Bezüge nach der Besoldungsgruppe A 12. Die Beklagte war seit 1992 durchgehend vollschichtig als Verkäuferin tätig. Ihre Einkünfte beliefen sich nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen auf 1.075,00 EUR monatlich.
Der Kläger hatte im Oktober 2005 erneut geheiratet. Außerdem erbrachte er seit Oktober 2005 auch Unterhaltsleistungen für eine bereits am 1.12.2003 in Polen geborene Tochter. Auf diese zusätzlichen Unterhaltspflichten stützte der Kläger seinen Antrag auf Wegfall der Unterhaltspflicht für die Zeit ab Oktober 2005 und auf Rückzahlung der seit Rechtshängigkeit der Abänderungsklage gezahlten Unterhaltsbeträge.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG der Klage teilweise stattgegeben und die Unterhaltsverpflichtung des Klägers auf zuletzt 200,00 EUR herabgesetzt und die Beklagte verurteilt, an den Kläger insgesamt 2.800,00 EUR überzahlten Unterhalt zurückzuzahlen.
Hiergegen richtete sich die - vom OLG zugelassene - Revision der Beklagten.
Die Revision erwies sich als begründet, führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG war der Vergleich nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage an die veränderten Umstände anzupassen. Die nunmehr hinzugekommenen Unterhaltspflichten des Beklagten ggü. seinem Kind und seiner neuen Ehefrau seien zu berücksichtigen. Da das Unterhaltsrecht keine dauernde Lebensstandardgarantie gewährleiste, wirke sich ein sinkendes Einkommen des Unterhaltspflichtigen unmittelbar auf den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus. Das sei auf alle sonstigen Veränderungen übertragbar, die das Einkommen des Unterhaltsschuldners beeinflussten, wie das Hinzutreten weiterer vor- oder gleichrangiger Unterhaltsberechtigter. Dies treffe zweifelsfrei auf den nunmehr zu zahlenden Kindesunterhalt zu und gelte im Ergebnis auch für den Unterhaltsanspruch der neuen Ehefrau des Klägers. Deren Unterhaltsbedarf trete gleichrangig neben den Anspruch der Beklagten aus § 1573 Abs. 2 BGB. Im Hinblick auf das Alter des Kindes von weniger als 3 Jahren beständen keine Zweifel, dass der Mutter ein Anspruch aus § 1570 BGB zustünde.
Die geschiedene und die bestehende Ehe seien grundsätzlich gleichwertig. Der den Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB rechtfertigende Betreuungsbedarf minderjähriger Kinder sei nicht geringer zu bewerten als das Vertrauen eines geschiedenen Ehegatten in die Sicherung seines Lebensbedarfs. Danach sei im vorliegenden Fall nicht von einer langen Ehedauer i.S.d. § 1582 BGB a.F. auszugehen. Weil die Ehe der Parteien kinderlos geblieben und die Beklagte seit 1992 durchgehend vollschichtig erwerbstätig gewesen sei, sei es der bei Zustellung des Scheidungsantrages knapp 55 Jahre alten Beklagten zumutbar, sich in ihrer Lebensstellung an den ohne Eheschließung erreichten Lebensstandard anzupassen. Im Verhältnis dazu habe der Anspruch der neuen Ehefrau auf Betreuungsunterhalt ein so erhebliches Gewicht, dass beiden Ansprüchen derselbe Rang zukomme.
Die Höhe des Unterhaltsanspruchs der neuen Ehefrau des Klägers bemesse sich nach denselben Grundsätzen wie für einen geschiedenen Ehegatten. Es sei nur konsequent, wenn der BGH den Anspruch eines im gleichen Rang hinzutretenden Unterhaltsberechtigten als bedarfsprägend ansehe. Das Verhältnis mehrerer Ansprüche untereinander folge ausschließlich aus dem ihnen zugewiesenen Rang. Da die Unterhaltsansprüche der Beklagten und der neuen Ehefrau bedarfsprägend seien, beeinflussten sie sich wechselseitig in ihrer Höhe. Allerdings lasse sich die Höhe des Bedarfs nicht im Wege der Dreiteilung ermitteln, da hierdurch die beiderseitigen Unterhaltsinteressen nicht ausreichend gewährleistet würden, wenn das Einkommen eines Berechtigten mehr als die Hälfte des unterhaltsrelevanten Einkommens betrage.
Es sei deswegen geboten, die Ansprüche beider Unterhaltsberechtigter zunächst gesondert festzustellen.
Bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs einer geschiedenen und einer neuen Ehefrau nach den ehelichen Lebensverhältnissen sei stets der Halbteilungsgrundsatz zu beachten. Dieser Grundsatz gebiete es bei der Bedarfsermittlung nur eines unterhaltsberechtigten Ehegatten, dem Unter...