Leitsatz

Den Schwerpunkt dieser Entscheidung bildet die Festlegung neuer Grundsätze für die Ermittlung des nachehelichen Unterhalts im Fall der Wiederverheiratung des Unterhaltspflichtigen. Weiterer Schwerpunkt der Entscheidung war das Problem der Ermittlung des auf die Abänderung des nachehelichen Unterhalts anwendbaren Rechts.

 

Sachverhalt

Die Parteien, beide türkische Staatsangehörige, stritten um die Abänderung eines Urteils über nachehelichen Unterhalt. Sie hatten im August 1989 geheiratet. Im August 1996 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Nach der Trennung im Oktober 2002 wurde die Ehe im März 2004 rechtskräftig nach türkischem Recht geschieden.

Der Kläger war Vater eines im März 2005 geborenen weiteren Kindes. Seit Juli 2006 war er mit der Mutter dieses Kindes verheiratet.

Am 1.3. 2006 wurde der Kläger in Anwendung deutschen Rechts zur Zahlung nachehelichen Unterhalts i.H.v. monatlich 299,00 EUR an seine geschiedene Ehefrau, die jetzige Beklagte, verurteilt. Mit Urteil eines anderen deutschen AG vom 25.4.2007 wurde die Unterhaltsverpflichtung abgeändert und der Anspruch der Beklagten auf nachehelichen Unterhalt auf monatlich 221,00 EUR herabgesetzt. Der Kläger begehrte den Wegfall seiner Unterhaltspflicht wegen des zum 1.1.2008 eingetretenen Gleichrangs seiner neuen Ehefrau mit der Beklagten und des inzwischen erhöhten Selbstbehalts.

Das AG hat das Urteil vom 25.4.2007 dahingehend abgeändert, dass der Kläger für die Zeit ab dem 23.7.2008 keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu zahlen hatte. Das OLG hat die Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin nachehelichen Unterhalt verlangte, zurückgewiesen. Dagegen richtete sic h die vom OLG zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihr zweitinstanzliches Begehren weiterverfolgte.

Die Revision hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

 

Entscheidung

Ebenso wie das Berufungsgericht hatte auch der BGH den Unterhaltsanspruch der Beklagten im Rahmen des vorliegenden Abänderungsverfahrens nach deutschem materiellem Recht beurteilt.

Für den hier relevanten nachehelichen Unterhalt ab dem 23.7.2008 richte sich das anwendbare materielle Recht nach den Vorschriften des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (HUÜ 73). Nach dessen Art. 8 sei in einem Vertragsstaat, in dem eine Ehescheidung ausgesprochen oder anerkannt worden sei, für den nachehelichen Unterhalt zwar das auf die Ehescheidung angewandte Recht maßgebend. Das sei hier das türkische Recht, weil die Parteien auf der Grundlage ihrer türkischen Staatsangehörigkeit nach diesem Recht geschieden worden seien. Im Ausgangsverfahren hätten die Instanzgerichte den nachehelichen Unterhalt deswegen nach türkischem Recht beurteilen müssen.

Hier begehre der Kläger allerdings Abänderung der früheren Entscheidungen zum nachehelichen Unterhalt vom 01.03.2006 und 25.4.2007, die auf der Grundlage des deutschen Unterhaltsrechts ergangen seien. Auch wenn im Ausgangsverfahren über den nachehelichen Unterhalt ein unzutreffendes Unterhaltsstatut angewandt worden sei, müsse dies im Rahmen der späteren Abänderung des Unterhaltstitels Bestand haben. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ermögliche § 323 ZPO weder eine von der bisherigen Unterhaltsbemessung unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung der Verhältnisse, die bereits in dem abzuändernden Titel eine Bewertung erfahren hätten. Die Abänderungsentscheidung könne vielmehr nur zu einer den veränderten Verhältnissen entsprechenden Anpassung des Unterhaltstitels führen. Entsprechend sei im Rahmen einer Abänderungsklage nach § 323 ZPO auch das dem abzuändernden Titel zugrunde liegende materielle Recht nicht austauschbar, sondern bleibe auch für Art und Höhe der anzupassenden Unterhaltsleistung weiterhin maßgeblich.

Dieser Umstand führe im entscheidenden Fall zur Anwendung des deutschen Unterhaltsrechts.

In der Sache selbst gibt der BGH im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG vom 25.1.2011 (FamRZ 2011, 437 ff.) die bisherige Rechtsprechung zur Bemessung des Unterhaltsbedarfs auf und kehrt zum Stichtagsprinzip zurück.

Demzufolge werden die ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich durch die Umstände bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten sind, so dass Ansprüche von vor der Scheidung geborenen Kindern zu berücksichtigen seien. Die ehelichen Lebensverhältnisse i.S.v. § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB könnten noch durch nach Rechtskraft der Scheidung entstandene Umstände beeinflusst werden, wenn diese Umstände noch in der Ehe angelegt gewesen seien oder bei Fortbestand der Ehe auch deren Verhältnisse geprägt hätten. Eine Einkommensverringerung dürfe dem Unterhaltspflichtigen nicht vorwerfbar sein, anderenfalls führe sie zum Einsatz fiktiver Einkünfte und bleibe deswegen unberücksichtigt.

Die Einkünfte aus einer nachehelich aufgenommenen Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten seien als Surrogat der Hausha...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge