Leitsatz
Der BGH beschäftigt sich in dieser Entscheidung in Anlehnung an seine bisherige Rechtsprechung mit dem Verhältnis von Aufstockungsunterhalt und Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit sowie den damit zusammenhängenden Beweisfragen.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über den nachehelichen Unterhalt ab 15.4.2008. Sie hatten im Jahre 1981 geheiratet. Aus der Ehe war eine im Februar 1982 geborene Tochter hervorgegangen. Die Parteien trennten sich im Oktober 2005, der Scheidungsantrag wurde im Januar 2006 rechtshängig.
Die Ehefrau war im Jahre 1952 geboren und hatte keine Berufsausbildung. Bei Eheschließung arbeitete sie als Verkäuferin. Während der Ehe war sie als Büroangestellte im Betrieb des Ehemannes beschäftigt. Nach der Trennung kündigte der Ehemann das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2007 gegen eine Abfindung. Seither war die Ehefrau nicht mehr erwerbstätig. Sie war Miteigentümerin des Wohngrundstücks, das die frühere Ehewohnung darstellte. Die Parteien waren ferner Miteigentümer eines Mehrfamilienhauses, das als Abschreibungsobjekt diente und von dem inzwischen einzelnen Eigentumswohnungen verkauft worden waren. Die Antragstellerin machte nachehelichen Unterhalt geltend.
Das AG hat den Unterhaltsantrag abgewiesen. Auf die Berufung der Antragstellerin hat ihr das Berufungsgericht monatlichen Unterhalt i.H.v. 3.423,00 EUR bis Dezember 2009 und von 2.840,00 EUR ab Januar 2010 zugesprochen.
Hiergegen richtete sich die zugelassene Revision des Ehemannes, der die vollständige Abweisung des Unterhaltsantrages erstrebte.
Entscheidung
Auf die Revision wurde das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Der BGH hat beanstandet, dass das OLG der Ehefrau über ein als erzielbar angenommenes Einkommen von 400,00 EUR monatlich hinaus Aufstockungsunterhaltsanspruch zugesprochen habe, weil nach dortiger Auffassung eine reale Beschäftigungschance für eine Vollzeittätigkeit bestehe. Er verweist insoweit auf seine ständige Rechtsprechung, wonach erst dann ausschließlich Aufstockungsunterhalt in Betracht komme, wenn der Unterhaltsberechtigte in vollem Umfang die nach § 1574 Abs. 2 BGB angemessene Erwerbstätigkeit ausübe, so dass kein Anspruch mehr nach § 1573 Abs. 1 BGB gegeben sein könne.
Soweit dies nicht der Fall sei, gehe es um einen Anspruch aus § 1573 Abs. 1 BGB, bei dem der Schwerpunkt der Darlegungs- und Beweislast einerseits auf dem Vortrag der erforderlichen Erwerbsbemühungen liege, andererseits auf dem Nachweis des Fehlens einer weitergehenden realen Beschäftigungschance.
Der BGH verwies darauf, dass es neben einer geringfügigen Beschäftigung auch noch die Möglichkeit eines sog. Midi-Jobs gebe, der sich auch durch Zusammenrechnung der Arbeitsentgelte aus zwei geringfügigen Tätigkeiten ergeben könne und mit dem im Gegensatz zur geringfügigen Beschäftigung auch ein Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen Krankenversicherung begründet werden könne.
Ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine 54-jährige Frau ohne Berufsausbildung keine Teilzeitbeschäftigung finden könne, bestehe nicht.
Angesichts dessen, dass das Berufungsgericht eine Beschäftigung der Antragstellerin im Bürobereich für angemessen und zumutbar halte, fehle es an einer Grundlage für die Feststellung, dass sie nicht insgesamt ein die Gleitzone erreichendes Einkommen erzielen könne. Somit verbleibe es bei der regelmäßigen Darlegungs- und Beweislast der Antragstellerin, die auch das Fehlen einer realen Beschäftigungschance darlegen und beweisen müsse.
Hinweis
Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH kann jedem unterhaltsberechtigten Ehegatten nur dringend empfohlen werden, nicht nur ernsthaft und nachhaltig, sondern auch rechtzeitig mit Beginn der Erwerbsobliegenheit Erwerbsbemühungen anzustellen und zu dokumentieren.
Unterbleiben solche Bemühungen, ist substantiiert darzulegen, ob und inwieweit auch für eine Teilzeitbeschäftigung keine reale Beschäftigungschance besteht.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 18.01.2012, XII ZR 178/09