Leitsatz
Die geschiedenen Parteien stritten um den nachehelichen Unterhalt. Der Kläger begehrte den Wegfall seiner mit Urteil vom 25.5.2005 noch unter Anwendung der Anrechnungsmethode titulierten Unterhaltsverpflichtung nach Änderung der Rechtsprechung des BGH insoweit.
Sachverhalt
Die Parteien hatten im März 1980 geheiratet. Aus ihrer Ehe gingen zwei in den Jahren 1983 und 1987 geborene Kinder hervor. Die Beklagte war gelernte Erzieherin und hatte in diesem Beruf bis zur Geburt ihres ersten Kindes gearbeitet. Die Scheidung der Ehe erfolgte im Juni 1997. Kurz nach der Scheidung nahm die Beklagte ihre Tätigkeit als Bäckereiverkäuferin auf, der sie ohne Unterbrechung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nachging. Nachehelichen Unterhalt hatte die Beklagte seinerzeit nicht geltend gemacht, da sich nach der seinerzeit noch anzuwendenden Anrechnungsmethode ein Unterhaltsanspruch für sie nicht errechnete.
Nachdem der BGH seine Rechtsprechung geändert hatte und die Einkünfte der Beklagten nunmehr im Wege der Differenzmethode zu berücksichtigen waren, erhob sie im Mai 2003 Klage auf nachehelichen Unterhalt. Mit Urteil vom 25.5.2005 wurde der geschiedene Ehemann zur Zahlung rückständigen Unterhalts sowie zur Zahlung laufenden Unterhalts ab 1.6.2003 i.H.v. monatlich 421,00 EUR verurteilt.
Mit seiner im März 2006 erhobenen Abänderungsklage verfolgte er das Ziel, ab sofort keinen nachehelichen Unterhalt mehr zahlen zu müssen.
Seine Klage wurde mit Urteil vom 15.11.2006 abgewiesen. Hiergegen wandte er sich mit der Berufung.
Sein Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das OLG folgte der erstinstanzlichen Entscheidung und kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Beklagten Aufstockungsunterhalt zustehe, der nach § 1578b BGB zeitlich nicht zu befristen sei.
Sie habe so erhebliche ehebedingte Nachteile erlitten, dass zu ihren Gunsten ein dauerhafter unterhaltsrechtlicher Ausgleich gerechtfertigt sei.
Nach Abschluss ihrer Ausbildung im Jahre 1977 sei sie für 6 Jahre in ihrem erlernten Beruf als Erzieherin bis zur Geburt des älteren Kindes im Jahre 1983 tätig gewesen und habe zuletzt Gehalt in Anlehnung an die BAT-Besoldung erzielt. Dass sie sodann während der Ehe nicht mehr erwerbstätig gewesen sei, sei ihr unterhaltsrechtlich nicht vorzuwerfen, da die Aufgabenverteilung mit Billigung des Klägers vorgenommen worden sei.
Auch dass die zum Zeitpunkt der Ehescheidung 41 Jahre alte Beklagte nicht wieder in ihren erlernten Beruf zurückgekehrt sei, sei ihr unterhaltsrechtlich nicht vorzuwerfen. Aus anderen Unterhaltsverfahren sei senatsbekannt, dass gerade in den Jahren nach der Grenzöffnung ein erheblicher Überschuss an gelernten Erzieherinnen bestanden habe, so dass die Beklagte nach 14jähriger Unterbrechung und angesichts ihres Alters nur geringe Chancen gehabt hätte, in ihrem erlernten Beruf wieder eingestellt zu werden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass das jüngere Kind der Parteien zum Zeitpunkt der Scheidung erst 9 1/ 2 Jahre alt gewesen sei, der Beklagten also allenfalls eine Halbtagstätigkeit hätte zugemutet werden können, was zu einer weiteren Verschlechterung ihrer Berufschancen geführt habe.
Es könne der Beklagten deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie sich für eine Tätigkeit als Verkäuferin entschieden habe. Dies gelte umso mehr, als der Beklagten seinerzeit kein Unterhaltsanspruch zugestanden habe und der Kläger daher von ihrer Entscheidung, als Verkäuferin tätig zu sein, unterhaltsrechtlich nicht betroffen gewesen sei.
Als Bäckereiverkäuferin könne die Beklagte nach dem Tarifvertrag für das Bäckereihandwerk 1.104,44 EUR netto verdienen. Dies entspreche auch in etwa ihrem Durchschnittsgehalt. Hätte sie stattdessen durchgehend als Erzieherin gearbeitet, wäre sie nach BAT bezahlt worden würde sie bei normaler Gehaltsentwicklung in diesem Beruf nunmehr ca. 1.575,00 EUR netto erzielen können.
Der der Höhe nach unstreitige Aufstockungsunterhaltsanspruch von monatlich 421,00 EUR entspreche damit ziemlich genau der Differenz zwischen dem von der Beklagten nunmehr erzielten Einkommen und dem Einkommen, das sie ohne die von den Parteien praktizierte "Hausfrauenehe" und die Kinderbetreuung hätte erzielen können.
Da bei der Erwerbsbiografie der Beklagten aufgrund der von den Parteien während der Ehe praktizierten Aufgabenverteilung und der Kinderbetreuung ehebedingte Nachteile auf Dauer beständen, sei auch in Anbetracht der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse ein unbegrenzter Unterhaltsanspruch nicht unbillig.
Hinweis
Das OLG hat im Hinblick auf die Frage der Befristung die Revision zugelassen. Die Entscheidung des BGH zum Aktenzeichen XII ZR 100/08 vom 27.01.2010 (FamRZ 2010, 538) hat die Entscheidung des OLG im Ergebnis bestätigt und eine Befristung des Anspruchs abgelehnt, weil die Ehefrau ehebedingte Nachteile in Höhe des titulierten Unterhalts erlitten habe (vgl. HI2305193).
Link zur Entscheidung
OLG Braunschweig, Urteil vom 20.05.2008, 2 UF 215/06