Leitsatz

Die Parteien stritten um nachehelichen Unterhalt. Der BGH hat sich in dieser Entscheidung eingehend mit der Bedeutung der während der Ehe praktizierten Rollenverteilung für das Bestehen ehebedingter Nachteile auseinandergesetzt.

 

Sachverhalt

Die Parteien hatten im Jahre 1987 geheiratet. Aus ihrer Ehe war der im Juni 1988 geborene Sohn hervorgegangen. Fünf Jahre nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes hatte die Antragsgegnerin im Januar 1993 ihren Arbeitsplatz gegen Zahlung einer Abfindung von brutto 70.000,00 DM aufgegeben und kümmerte sich fortan überwiegend um die Haushaltsführung und die Betreuung des gemeinsamen Sohnes. Die Abfindung verwendeten die Parteien, um einen Kredit für die gemeinsame Immobilie zu tilgen.

Nach Aufgabe ihres Arbeitsplatzes war die Antragsgegnerin zeitweise selbständig tätig. Sodann arbeitete sie als Verkäuferin.

Die Eheleute trennten sich im Jahre 2006. Zwei Jahre später wurde die Ehe durch Verbundurteil rechtskräftig geschieden. Der Antragsgegnerin, die eigene Erwerbseinkünfte erzielte, wurde unbefristet nachehelicher Aufstockungsunterhalt zugesprochen. Die dagegen gerichtete Berufung des Antragstellers blieb ohne Erfolg. Mit seiner Revision erstrebte er die Befristung des nachehelichen Unterhalts.

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Der BGH hat die Revision zurückgewiesen und die Entscheidung des Berufungsgerichts bestätigt, das eine Befristung des nachehelichen Unterhalts wegen fortwirkender ehebedingter Nachteile abgelehnt hatte.

Ehebedingte Nachteile seien vor allem Erwerbsnachteile, die durch die von den Ehegatten praktizierte Rollenverteilung während der Ehe entstanden seien. Dazu genüge es, wenn ein Ehegatte sich entschließe, seinen Arbeitsplatz aufzugeben, um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu übernehmen. Ab welchem Zeitpunkt die Rollenverteilung praktiziert werde, sei nicht von Bedeutung. Es komme insbesondere nicht darauf an, ob die Ehegatten die Rollenverteilung zu Beginn der Ehe, bei Geburt eines Kindes oder erst später geplant oder praktiziert hätten. Einem ehebedingten Nachteil stehe demnach nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin den Beschluss zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes erst getroffen habe, als der gemeinsame Sohn bereits vier oder fünf Jahre alt gewesen sei. Da sie anschließend trotz diverser Nebentätigkeiten die überwiegende Betreuung des Sohnes und des Haushalts übernommen habe, sei das Berufungsgericht mit Recht von einem auf der praktizierten Rollenverteilung beruhenden Erwerbsnachteil der Antragsgegnerin ausgegangen.

Es sei auch ohne Bedeutung, ob die Aufgabe des Arbeitsplatzes oder eine unterlassene Erwerbstätigkeit gegen den Willen des anderen Ehegatten erfolgt sei, weil im Rahmen der Abwägung gemäß § 1578b BGB keine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens stattfinde (BGH, Urt. v. 20.10.2010 - XII ZR 53/09, FamRZ 2010, 2059 Rz. 27 m.w.N.).

Der unterhaltspflichtige Ehegatte könne daher nicht einwenden, dass er den Unterhaltsberechtigten während der Ehe zur Berufstätigkeit angehalten habe (BGH, Urt. v. 20.10.2010 - XII ZR 53/09, FamRZ 2010, 2059 Rz. 27).

Werde während der bestehenden Ehe ein Arbeitsplatz aufgegeben, sei ein ehebedingter Nachteil dann nicht gegeben, wenn der Arbeitsplatz ausschließlich aus außerhalb der Ehegestaltung liegenden Gründen aufgegeben oder verloren worden sei, so etwa aufgrund einer persönlich beschlossenen beruflichen Neuorientierung oder wegen einer betriebs- oder krankheitsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers. In diesem Fall würde es an einem ehebedingten Nachteil fehlen, wenn der Erwerbsnachteil auch ohne die Ehe durch die mit ihr verbundene Rollenteilung eingetreten wäre.

Für eine solche Konstellation beständen im vorliegenden Fall aber keine Anhaltspunkte. Danach könne kein Zweifel bestehen, dass die Gestaltung der Haushaltsführung den Anforderungen des § 1578b Abs. 1 S. 3 BGB entspreche und zu dem vom Berufungsgericht festgestellten Erwerbsnachteil der Antragsgegnerin geführt habe.

Bei bestehenden ehebedingten Nachteilen sei eine Befristung des nachehelichen Unterhalts regelmäßig nicht auszusprechen. Eine solche komme trotz fortbestehender ehelicher Nachteile nur unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht, wofür nach den von den Vorinstanzen getroffenen Vorstellungen im vorliegenden Fall nichts ersichtlich sei.

 

Hinweis

Der BGH hat mit dieser Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass es für das Bestehen ehebedingter Nachteile grundsätzlich keine Rolle spielt, ob eine unterlassene Erwerbstätigkeit während der Ehe oder die Aufgabe eines Arbeitsplatzes gegen den Willen des unterhaltspflichtigen Ehegatten erfolgt ist. Es muss allerdings ein Zusammenhang mit der Gestaltung der Ehe bestehen. Diese Gestaltung muss für den Erwerbsnachteil ursächlich geworden sein. Maßgeblich ist daher die praktizierte Rollenverteilung während der Ehe.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 16.02.2011, XII ZR 108/09

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