Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen nach dem Familiengesetzbuch der Russischen Föderation vom 19.12.1995 nachehelicher Unterhalt zu zahlen ist.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um nachehelichen Unterhalt. Ihre am 10.3.1992 geschlossene Ehe war mit Urteil des FamG vom 1.3.2005 geschieden worden. Beide Parteien waren ursprünglich Staatsangehörige der Russischen Föderation.
Die im Jahre 1955 geborene Klägerin war seit dem 1.1.1977 als Invalidin der dritten Invaliditätsstufe anerkannt. Sie bezog eine monatliche Rente. Mit der im Jahre 1994 geborenen gemeinsamen Tochter der Parteien lebte sie in Russland in einem Anwesen, für das sie keine Miete, jedoch Nebenkosten zahlen musste.
Der Beklagte arbeitete von 2004 bis Juli 2005 als Kraftfahrer, ab der zweiten Julihälfte 2005 bis zum 12.2.2006 war er arbeitslos und seit dem 13.2.2006 erneut als Kraftfahrer beschäftigt.
Erstinstanzlich wurde die Klage auf Zahlung nachehelichen Unterhalts abgewiesen unter Hinweis darauf, dass der Klägerin weder nach Art. 90 Ziff. 1, 3. Alternative noch nach Art. 90 Ziff. 1, 4. Alternative des Familiengesetzbuches der russischen Föderation vom 19.12.1995 Unterhalt zustehe. Sie sei zwar als erwerbsunfähig anzusehen, habe jedoch ihre Bedürftigkeit nicht schlüssig dargetan. Auch habe sie das Rentenalter von 55 Jahren noch nicht erreicht.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Berufung, die teilweise erfolgreich war.
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, das FamG habe einen Anspruch der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt zu Unrecht verneint. Auf den vorliegenden Fall seien die Unterhaltsvorschriften des russ. Familienrechts anwendbar, Art. 18 I S. 1 EGBGB.
Danach habe die Klägerin nach Art. 90 Abs. 1, 3. Alternative des FGB als geschiedene Ehefrau ein Recht auf Unterhalt, weil sie erwerbsunfähig und bedürftig sei. Der Beklagte habe in zweiter Instanz für dieses Verfahren die Erwerbsunfähigkeit der Klägerin zugestanden.
Auch Bedürftigkeit liege bei der Klägerin vor. Der Begriff der Bedürftigkeit i.S.v. Art. 90 Abs. 1, 3. Alternative FGB werde nach dem eingeholten Gutachten, dessen Ergebnis sich das OLG anschließe, in der russischen Rechtsprechung und Rechtslehre eher restriktiv ausgelegt. Grundlegender Vergleichsmaßstab für die Bedürftigkeit sei das gesetzlich festgelegte Existenzminimum. Bedürftig sei ein Mensch dann, wenn sein (Arbeits-)Einkommen, seine Renten, Beihilfen und weiteren Einkünfte nicht ausreichten, um das Existenzminimum abzusichern.
Die Klägerin habe im Berufungsverfahren unstreitig gestellt, dass der Unterschied zwischen ihrer Rente und dem jeweiligen Existenzminimum mindestens 21,00 EUR betrage.
Der Bedürftigkeit der Klägerin stehe nicht entgegen, dass sie mietfrei wohne. Dabei komme es nicht darauf an, wem das von der Klägerin bewohnte Haus gehöre. Sie habe eine Aufstellung vorgelegt, aus der hervorgehe, dass "die Kontrollkosten des notwendigen sozialen Satzes für das vorgenannte Gebiet" im September 2005 bei 1.814,52 Rubel lagen. In dieser Summe sei die Wohnungsmiete mit einem bei der Interessenabwägung zu vernachlässigendem Betrag von 110,97 Rubel, umgerechnet somit 3,70 EUR, enthalten.
Da zwischen den Parteien eine Vereinbarung über die Höhe des an die Klägerin zu zahlenden Unterhalts nicht bestehe, sei ausgehend von der materiellen und familiären Lage der Ehegatten und anderen berücksichtigenswerten Interessen der Parteien ein monatlich zu zahlender Geldbetrag durch das Gericht festzusetzen. Dieser betrage nach Auffassung des Senats vom Tage der Rechtskraft der Scheidung bis Ende Mai 2008 monatlich 21,00 EUR.
Dabei seien die früheren ehelichen Lebensverhältnisse berücksichtigt.
Leistungsfähigkeit des Beklagten bestehe nur bis einschließlich Mai 2008. Er habe vorgetragen, dass er aufgrund einer im März 2008 aufgetretenen Tumorerkrankung seit 26.5.2008 erwerbsunfähig sei und nur noch Krankengeld erhalten. Danach bestehe ab Juni 2008 Leistungsfähigkeit bei ihm nicht mehr.
Link zur Entscheidung
OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.12.2008, 2 UF 231/06