Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, ob bei der Ermittlung des Ehegattenunterhalts der Vorwegabzug des Kindesunterhalts mit dem Tabellen- oder dem Zahlbetrag, der sich nach Anrechnung des hälftigen Kindergeldes ergibt, zu berücksichtigen ist.
Sachverhalt
Der Kläger begehrte die Abänderung eines Prozessvergleichs über nachehelichen Unterhalt.
Die Parteien hatten im Oktober 2002 die Ehe geschlossen. Im Mai 2003 wurde die gemeinsame Tochter geboren, die seit der Trennung der Parteien im Februar 2004 von der Beklagten betreut wurde. Die Ehe der Parteien war seit November 2005 rechtskräftig geschieden.
Mit dem vor dem AG geschlossenen Vergleich vom 7.11.2005 hatte sich der Kläger zur Zahlung nachehelichen Unterhalts von monatlich 219,00 EUR verpflichtet. Der Kindesunterhalt war ursprünglich auf 192,00 EUR, für die Zeit ab März auf 100 % des Mindestunterhalts abzgl. des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind tituliert worden.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers, der ohne Berufsausbildung und zuletzt als Lagerarbeiter tätig war, wurde nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung durch Vergleich vor dem ArbG zum 31.8.2007 beendet. Seitdem war der Beklagte arbeitslos. Er nahm an von der Arbeitsagentur geförderten Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich Lager/Logistik teil.
Die Beklagte war von Beruf Arzthelferin. Im August 2008 hatte sie die Stelle gewechselt und war sodann als Rezeptionsmitarbeiterin in einer psychiatrischen Praxis tätig. Sie arbeitete dort 25 Stunden wöchentlich mit einem Stundenlohn von 10,50 EUR.
Wegen des aufgrund seiner Arbeitslosigkeit gesunkenen Einkommens hat der Kläger die Abänderung des Unterhaltsvergleichs vom 7.11.2005 beantragt. Das erstinstanzliche Gericht hat den Unterhalt für die Zeit von September 2007 bis Dezember 2007 auf monatlich 145,00 EUR reduziert und ab Januar 2008 eine Unterhaltspflicht gänzlich verneint.
Auf die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil dahin abgeändert, dass der Kläger von Januar 2008 bis zum 14.6.2008 keinen Unterhalt und ab 15.6.2008 lediglich i.H.v. 73,00 EUR monatlich zahlen müsse.
Hiergegen wandte sich die Beklagte mit der zugelassenen Revision. Ihr Rechtsmittel hatte teilweise Erfolg.
Entscheidung
Der BGH stellte klar, dass der Vorwegabzug mit dem Zahlbetrag zu erfolgen hat. Er bezog sich hierbei auf den Wortlaut des § 1612b Abs. 1 S. 2 BGB und die Gesetzesmaterialien. Werde das Kindergeld demnach bedarfsmindernd angerechnet, sei auch bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts nur der nach bedarfsdeckender Anrechnung des Kindergeldes verbleibende Unterhaltsanspruch von den Einkünften des Unterhaltspflichtigen abzuziehen. Das dadurch frei werdende Einkommen stehe sodann für den Unterhalt nachrangig Berechtigter zur Verfügung. Den Gerichten sei versagt, den eindeutigen Willen des Gesetzgebers zu korrigieren. Der Vorwegabzug der Zahlbeträge sei auch nicht verfassungswidrig. Bereits für die Anwendung des § 1612b Abs. 5 BGB a.F. sei anerkannt und durch das BVerfG gebilligt worden, dass das Kindergeld für Unterhaltszwecke mit herangezogen werde (BVerfG vom 9.4.2003 in FamRZ 2003, 1370 ff.).
Es könne nicht unterstellt werden, dass der betreuende Elternteil seinen Kindergeldanteil vollständig für eigene Zwecke verbrauche und nicht auch zugunsten des Kindes verwende. Das dem barunterhaltspflichtigen Elternteil infolge des teilweisen Verbrauchs des Kindergeldes weniger Spielraum - so etwa für Umgangskosten - verbleibe, sei anderweitig zu berücksichtigen.
Hinweis
Seit Inkrafttreten des UÄndG war die nunmehr vom BGH entschiedene Frage ungeklärt. Es gab zwar eine Tendenz in Richtung der nunmehr erfolgten Rechtsprechung des BGH, eine eindeutige Entscheidung stand jedoch bislang aus. Die klarstellende und eindeutige Entscheidung des BGH ist daher im Interesse der Rechtssicherheit zu begrüßen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 24.06.2009, XII ZR 161/08