Zusammenfassung
Nachrang der Jugendhilfe bedeutet, dass die Leistungen anderer Sozialleistungsträger oder der Schule oder Unterhaltspflichtiger Vorrang haben vor den Leistungen der Jugendhilfe.
Der Vorrang anderer Sozialleistungsträger bedeutet nicht, dass der Jugendhilfeträger Leistungen ablehnen darf, sondern, dass der Jugendhilfeträger von ihnen Kostenerstattung verlangen darf.
Sozialversicherung: § 10 Abs. 1 SGB VIII regelt allgemein den Vorrang anderer. Mit dem "Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK)" wurde dies für die Schule ausdrücklich hervorgehoben. Der Grundsatz der Nachrangigkeit ist in § 10 SGB VIII festgelegt. § 10 Abs. 2 SGB VIII regelt den Vorrang der Unterhaltspflichtigen durch deren Kostenbeteiligung. § 10 Abs. 3 SGB VIII regelt das Verhältnis zu Leistungen nach dem SGB II unterschiedlich: in Satz 1 mit dem Vorrang der Jugendhilfe, in Satz 2 mit dem Vorrang der Leistungen für junge Menschen ab 15 Jahren nach dem SGB II (§§ 7 ff. SGB II).
Auch § 10 Abs. 4 SGB VIII regelt das Verhältnis zu Leistungen nach dem SGB IX und dem SGB XII unterschiedlich: in Satz 1 mit dem Vorrang des SGB VIII vor Leistungen nach dem SGB IX und SGB XII, in Satz 2 den Vorrang von Leistungen zur Bildung und Teilhabe und für das gemeinsame Mittagessen nach dem SGB XII.
Für die Eingliederungshilfe gilt: für junge Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen hat das SGB IX Vorrang, für Menschen mit seelischen Behinderungen aber das SGB VIII.
Die Frage, wann die Konkurrenzregelung des § 10 SGB VIII überhaupt angewendet werden muss, hat das Bundesverwaltungsgericht für das Verhältnis von Jugendhilfe und Sozialhilfe mit Urteil vom 23.9.1999 (BVerwG, Urteil v. 23.9.1999, 5 C 26.98) entschieden. Ebenso das Bundessozialgericht mit Urteil vom 24.9.2014 (BSG, Urteil v. 24.9.2014, B 8 SO 7/13 R).
Für das Verhältnis von Leistungen nach § 19 SGB VIII und der Eingliederungshilfe (noch nach dem SGB XII, jetzt nach dem SGB IX) verneint das Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.3.2009 (BSG, Urteil v. 24.3.2009, B 8 SO 29/07 R) eine Anspruchskonkurrenz, während das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 22.10.2009 (BVerwG, Urteil v. 22.10.2009, 5 C 19/08) eine Anspruchskonkurrenz bejaht.
1 Grundsatz des Nachrangs der öffentlichen Jugendhilfe
Die Nachrangfrage stellt sich erst, wenn die Leistungen der Leistungsträger gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind.
Nachrang erst auf Kostenebene herstellen
Häufig kann der Nachrang faktisch erst auf der Kostenebene hergestellt werden. Das liegt daran, dass die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe unabhängig vom vorrangigen Einsatz von Einkommen und Vermögen gewährt wird. Der Jugendhilfeträger muss deshalb oft in Vorleistung treten. Etwas anderes gilt nur, wenn das Gesetz explizit auf vorrangige Leistungen verweist. Ein Beispiel dafür sind sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen der Jugendsozialarbeit.
Um den Nachrang herzustellen, kann der Jugendhilfeträger von den Unterhaltspflichtigen oder den jungen Menschen selbst Kosten- bzw. Teilnahmebeiträge erheben. Gegenüber anderen Leistungsträgern bestehen ggf. verwaltungsrechtliche Erstattungsansprüche, die im Zweifelsfall gerichtlich durchgesetzt werden müssen.
2 Abgrenzung der Leistungen des SGB VIII zum SGB II
Wer im erwerbsfähigen Alter ist und seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann, hat Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber dem Jobcenter. Personen im erwerbsfähigen Alter erhalten zum einen das Bürgergeld, das den Lebensunterhalt sichern soll, zum andern gewährt das Jobcenter auch Leistungen zur Eingliederung in Arbeit.
Die Unterscheidung dieser Leistungsarten spielt eine Rolle bei der Frage des Vor- bzw. Nachrangs im Verhältnis zur Jugendhilfe. Denn hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts gehen die Leistungen nach dem SGB VIII denen des SGB II vor. Damit regelt § 10 Abs. 3 SGB VIII eine Ausnahme vom Grundsatz des § 10 Abs. 1 SGB VIII. Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit haben dagegen Vorrang vor den Leistungen des SGB VIII.
3 Abgrenzung der Leistungen des SGB VIII zum SGB XII
Besteht im konkreten Fall sowohl ein Anspruch gegen den Träger der Sozialhilfe als auch gegen den Jugendhilfeträger, ist die Jugendhilfe vorrangig zuständig. Mit Wirkung vom 1.1.2020 gilt das auch für Ansprüche nach dem SGB IX, das gegenüber dem SGB VIII ebenfalls subsidiär ist.
Etwas anderes gilt für die Kosten einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung für Schüler und Kinder in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege. Die Sozialhilfe ist hier vorrangig zuständig.
Häufig ist streitig, wer für Menschen mit Behinderungen und ihre Kinder aufkommen muss, die in einer stationären Einrichtung Leistungen erhalten. Das Bundessozialgericht hat dazu entsch...