Leitsatz
Sollen in dem Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft über die betragsmäßig festgelegte Einlageschuld hinausgehende laufende Beitragspflichten vereinbart werden, müssen diese aus dem Gesellschaftsvertrag eindeutig hervorgehen und der Höhe nach bestimmt oder zumindest objektiv bestimmbar sein. Eine gesellschaftsvertragliche Bestimmung, die den einzelnen Gesellschafter zu Nachschusszahlungen verpflichtet, "soweit bei der laufenden Bewirtschaftung der Grundstücke Unterdeckungen auftreten", genügt diesen Anforderungen nicht.
Sachverhalt
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte als Gesellschafterin eines geschlossenen Immobilienfonds zur Zahlung eines Nachschusses verpflichtet ist. In § 3 des Gesellschaftsvertrages heißt es unter anderem: "Der Geschäftsführer wird ermächtigt, die von den Gesellschaftern zu erbringenden Gesellschaftereinlagen gemäß vorstehendem Absatz, etwaige wirksam beschlossene Nachschüsse der Gesellschafter und Unterdeckungsbeiträge im eigenen Namen für Rechnung der Gesellschaft bei den Gesellschaftern einzufordern und erforderlichenfalls gerichtlich geltend zu machen". § 5 lautet auszugsweise: "Soweit bei der laufenden Bewirtschaftung der Grundstücke Unterdeckungen auftreten, ist der jeweilige Gesellschafter verpflichtet, binnen vier Wochen nach entsprechender Anforderung der Geschäftsführung die seinem Anteil am Gesellschaftsvermögen entsprechenden Zahlungen zu erbringen. Die Geschäftsführung ist berechtigt, bei sich abzeichnenden Unterdeckungen angemessene laufende Vorschüsse anzufordern." Die Beklagte weigerte sich, einen im Verhältnis ihrer Gesellschaftereinlage wegen eines erwarteten Verlusts angeforderten Nachschuss zu zahlen, wurde hierzu aber durch das LG verurteilt. Auf die Revision hin wurde die Klage abgewiesen.
Entscheidung
Vor Auflösung einer Gesellschaft besteht für den Gesellschafter über die vereinbarte Einlage hinaus nach § 707 BGB grundsätzlich keine Nachschusspflicht. Diese dispositive gesetzliche Regelung greift allerdings dann nicht ein, wenn die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag keine der Höhe nach festgelegten Beiträge übernommen, sondern sich verpflichtet haben, entsprechend ihrer Beteiligung das zum Erreichen des Gesellschaftszwecks Erforderliche beizutragen. Ebenso können sich die Gesellschafter verpflichten, zum einen eine betragsmäßig festgelegte Einlage, zum anderen laufende Beiträge zu entrichten. In einem solchen Fall bedürfen die Festlegung der Höhe und die Einforderung der Beiträge keines Gesellschafterbeschlusses, sondern sind Sache der Geschäftsführer.
Allerdings ist bei der Auslegung eines Gesellschaftsvertrags die gesetzliche Grundentscheidung zu beachten. Sollen über die eigentliche Beitragsschuld hinausgehende Beitragspflichten begründet werden, muss dies aus dem Gesellschaftsvertrag eindeutig hervorgehen. Zudem muss auch im Fall einer derartigen Aufspaltung der Beitragspflicht die Höhe der laufenden Beiträge im Gesellschaftsvertrag zumindest in objektiv bestimmbarer Weise ausgestaltet sein.
Es besteht keine Möglichkeit, den vorliegenden Gesellschaftsvertrag in dieser Weise auszulegen. Es genügt insbesondere nicht, dass der Gesellschaftsvertrag die Beitragspflicht der Gesellschafter nicht ausdrücklich auf den vereinbarten Einlagebetrag begrenzt. Vielmehr muss eine über die bezifferte Einlageschuld hinausgehende Beitragspflicht eindeutig aus dem Gesellschaftsvertrag hervorgehen und der Höhe nach bestimmt oder zumindest objektiv bestimmbar sein.
Praxishinweis
Im Einzelfall kann die gesellschafterliche Treuepflicht eine Nachschussverpflichtung bedingen, wobei dann aber ein entsprechender – hier nicht vorliegender – Gesellschafterbeschluss unverzichtbar ist. Im Übrigen ist ein Gesellschafter zur Hinnahme von Eingriffen in seine Mitgliedschaft nur dann verpflichtet, wenn diese im Gesellschaftsinteresse geboten und ihm unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar sind. Dabei sind an die aus der Treuepflicht abgeleitete Nachschussverpflichtung aber besonders hohe Anforderungen zu stellen, da ein Gesellschafter grundsätzlich nicht zu neuen Vermögensopfern gezwungen werden darf.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 19.3.2007, II ZR 73/06