Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 5 Abs. 4 WEG, § 10 Abs. 1 WEG, § 14 Nr. 1 WEG, § 15 Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 1004 Abs. 1 BGB
Kommentar
1. In der Gemeinschaftsordnung einer kleineren Mehrhausanlage war hier speziell vereinbart, dass "bauliche Veränderungen, insbesondere Um-, An- und Einbauten ... auch dann vom jeweiligen Wohnungseigentümer vorgenommen werden könnten, wenn sie gemeinschaftliches Eigentum beträfen, sofern sich dieses im räumlichen Bereich des dem jeweiligen Eigentümer zustehenden Hauses befinde ..."Weiterhin war den Eigentümern hier ein Sondernutzungsrecht an den das jeweilige Haus umgebenden Freiflächen eingeräumt und bestimmt, "dass jeder Berechtigte die seinem Sondernutzungsrecht unterliegende Fläche frei gestalten und sie von den übrigen Sondernutzungsberechtigten abgrenzen könne". Zuletzt wurden noch gemeinschaftliche Zugangs- und Zufahrtsflächen zu den Wohnungen festgelegt und bestimmt, "dass die Gestaltung der gemeinschaftlichen Flächen im Einvernehmen der beteiligten Wohnungseigentümer erfolgen solle".
Ein Eigentümer errichtete vor seiner zur gemeinschaftlichen Zugangs- und Zufahrtsfläche hin gelegenen Eingangstüre auf einem Betonsockel eine Holz-Glas- Konstruktion (Windfang) und zwar mit ganz geringfügigem Überbaumaß in die gemeinschaftliche Zugangsfläche hinein (von nur wenigen cm).
2. Im vorliegenden Fall wurde die gesetzliche Regelung des § 22 Abs. 1 WEG durch die getroffene Vereinbarung abbedungen. Wohnungseigentümer können auch in zulässiger Weise vereinbaren, dass § 22 Abs. 1 WEG in Verbindung mit § 14 Nr. 1 WEG für bauliche Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum nicht gilt. In diesem Fall kommt es bei einem baurechtlich genehmigten Anbau nicht mehr darauf an, wie sich dieser auf das optische Erscheinungsbild der Wohnanlage auswirkt. Maßgebend sind hier vielmehr die allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts, die entsprechend anzuwenden sind. Für hiernach völlige oder teilweise Beseitigungsansprüche des errichteten Windfangs wurde weder etwas vorgetragen noch ist eine Verletzung solcher Vorschriften in sonstiger Weise ersichtlich.
Die Gemeinschaftsordnung kann hier auch vom Rechtsbeschwerdesenat selbst ausgelegt werden; insoweit konnte auf die landgerichtlichen Ausführungen zur objektiven Auslegung im Sinne eines unbefangenen Betrachters als nächstliegende Bedeutung der Erklärung Bezug genommen werden. Hiernach waren im vorliegenden Fall nach dem naheliegenden Wortsinn der Formulierung nicht nur bauliche Veränderungen im Inneren des jeweiligen Hauses zu verstehen, zumal auch "Anbauten" als zulässige bauliche Maßnahmen genannt sind und jedes Haus auf den drei freien Seiten von einer Sondernutzungsfläche als "räumlichem Bereich" umgeben ist. Auch wurde jedem Eigentümer das Recht eingeräumt, die seinem Sondernutzungsrecht unterliegende Fläche frei zu gestalten. Die Wohnungseigentümer sollten hier innerhalb ihres räumlichen Bereichs rechtlich weitgehend wie Alleineigentümer berechtigt und verpflichtet sein.
3. Werden hier bei der Errichtung eines Sockels und Windfangs nur wenige cm gemeinschaftlich nutzbarer Fläche in Anspruch genommen, kann einem Beseitigungsverlangen der Einwand unzulässiger Rechtsausübung ( § 242 BGB) entgegengehalten werden. Die Antragstellerseite hätte hier allenfalls den Rückbau des Windfangs um diese wenigen cm verlangen können; damit stünden aber die Kosten der Antragsgegner außer Verhältnis zum Ausmaß der Beeinträchtigung, die der um einige cm zu breite Windfang verglichen mit dem etwas weniger breiten für den Antragsteller darstellt (vgl. BayObLG, WM 98, 49; 98, 563/565; OLG Düsseldorf, NZM 98, 79). Von unzumutbaren Beeinträchtigungen war i.Ü. im vorliegenden Fall nicht zu sprechen; es musste auch nicht auf § 14 WEG nach hier getroffenen Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung abgestellt werden.
4. Auch außergerichtliche Kostenentscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert dieser Instanz von DM 10.000,-.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 09.12.1999, 2Z BR 101/99)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer