Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Öffentliche Verhandlung vor dem WE-Gericht
Normenkette
§ 15 Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 44 Abs. 1 WEG, § 1004 Abs. 1 BGB, § 27 S. 2 FGG, § 551 Nr. 6 ZPO
Kommentar
1. Ein bestandskräftig gewordener Mehrheitsbeschluss, der bauliche Veränderungen unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Zustimmung aller beeinträchtigten Wohnungseigentümer zulässt, ist wirksam und für alle Eigentümer bindend; § 22 Abs. 1 WEG ist nicht zwingendes Recht (hier: an TG-Stellplätzen angebrachte Kipptore teils aus Aluminium, teils aus Maschendraht mit seitlichen Maschendrahtbegrenzungen bzw. Aluminium).
2. Auch solche, ausschließlich im Sondereigentum befindliche Tore, für die die Gemeinschaftsfläche nicht in Anspruch genommen wird, können sich als nachteilige und beeinträchtigende bauliche Veränderungen darstellen und Beseitigungsverlangen rechtfertigen. Bei vereinbarter Verwalterzustimmung in einer Garagenordnung ist die nachträgliche Genehmigung bzw. Duldung des Verwalters einer vorherigen Zustimmung rechtlich gleichzustellen.
3. Ein Miteigentümer kann die Beseitigung einer baulichen Veränderung jedoch immer dann verlangen, wenn sie gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt (hier: gegen die BayBO und die Garagenverordnung, wobei nach Auskunft des zuständigen LRAs Kipptore aus Maschendraht oder Gittermetall baurechtlich zulässig seien, solche aus Aluminium jedoch unzulässig).
4. Wird vom LG im WE-Verfahren die mündliche Verhandlung entgegen Art. 6 Abs. 1 MRK (Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) nicht öffentlich durchgeführt, so zwingt dies nicht zur Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts, wenn der Verfahrensfehler durch das nachfolgende schriftliche Verfahren überholt wird. Trotz der Bestimmung des § 44 Abs. 1 WEG (Grundsatz der Mündlichkeit einer Verhandlung) ist dieser Grundsatz nicht so streng durchzuführen wie im Zivilprozess. Im Übrigen beruhte die Entscheidung des LG hier nicht auf Verletzung dieser Vorschriften über die Öffentlichkeit. Ob das Beschwerdegericht dadurch das Gesetz verletzt hat, dass es trotz weiteren schriftsätzlichen Vortrags nicht nochmals mit den Beteiligten mündlich verhandelt hat, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da die Entscheidung aus anderem Grunde (nämlich Verletzung der Amtsermittlungspflicht) aufzuheben und zurückzuverweisen war.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 08.02.1990, BReg 1 b Z 12/89( BayObLG, Beschluss v. 4. 1. 1991, Az.: BReg 2 Z 102/90)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer