Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr.1 WEG, § 2 Abs. 1 WEG
Kommentar
1. Die Zustimmung eines Miteigentümers zu einer baulichen Veränderung ist entbehrlich, wenn ihm dadurch zum einen kein Nachteil erwächst oder der Nachteil über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß nicht hinausgeht ( § 22 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 14 Nr. 1 WEG). Die Zustimmungspflicht hängt deshalb von der Klärung der Frage ab, ob einem widersprechenden Miteigentümer durch bauliche Veränderungen überhaupt ein Nachteil entsteht oder entstanden ist; ist dies zu verneinen, ist eine bauliche Veränderung schon deshalb nicht zustimmungsbedürftig. Wird allerdings ein Nachteil festgestellt, stellt sich die weitere Frage, ob der Nachteil über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht.
Weiterhin ist zu beachten, dass nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen als Nachteile im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG anzusehen sind (vgl. BGH, NJW 1992, 978/979). Außerdem muß eine Beeinträchtigung nach der allgemeinen Verkehrsanschauung eine gewisse Relevanz besitzen; eine nur ganz unerhebliche Beeinträchtigung ist kein Nachteil im Sinne der Bestimmung des § 14 WEG.
Der Umstand, dass eine Baumaßnahme mit einem Eingriff in das Gemeinschaftseigentum (hier: Außenfassade) verbunden ist, besagt für sich genommen nichts darüber, ob dieser Eingriff für die Miteigentümer nachteilig ist (vgl. auch BayObLG, WE 1984, 27). Im vorliegenden Falle sind Nachteile denkbar hinsichtlich
a) statischer Probleme, die sich auf die Gesamtanlage nachteilig auswirken,
b) mögliche Beeinträchtigungen anderer Eigentümer bezüglich der Nutzung des Gemeinschaftseigentums, oder
c) relevante Veränderung des architektonisch-ästhetischen Gesamteindruckes der Wohnanlage.
2. Das LG muß deshalb speziell zur Frage der Veränderung des Gesamteindruckes neuerliche Tatsachenermittlungen anstellen (deshalb Zurückverweisung). Es könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Fenstervergrößerung im vorliegenden Fall eine optische Veränderung gegenüber dem früheren Zustand bewirke; beachtlich seien nur solche Veränderungen, die eine gewisse Relevanz besäßen und die andere Miteigentümer nicht nur ganz unerheblich beeinträchtigen. Es sei deshalb notwendig, eindeutige Feststellungen darüber zu treffen, ob durch die Baumaßnahme der Antragsgegner der architektonische Gesamteindruck der Wohnanlage wesentlich oder nur ganz unerheblich verändert worden sei. Hierzu müsse eine Ortsbesichtigung des Gerichts ungeachtet der in den Akten befindlichen Fotografien durchgeführt werden.
Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang auch darauf, dass die Beeinträchtigungsfrage keine bloße Geschmacksfrage sei, es vielmehr darauf ankomme, ob sich der Umbau nennenswert auf das Gesamterscheinungsbild der Wohnanlage auswirke. Hierbei sei vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich um eine Rückfront der Wohnanlage handle, die ohnehin Unregelmäßigkeiten aufweise und ob das streitige Kellerfenster als Fremdkörper in der Rückfront des Hauses empfunden werden könne oder sich eher unauffällig in das Erscheinungsbild der Gesamtanlage einfüge. Erst nach Klärung dieser Fragen sei rechtlich zu entscheiden, ob jede nicht ganz unerhebliche Veränderung des optischen Gesamteindruckes als Nachteil anzusehen sei oder ob dies nur dann gelte, wenn die Baumaßnahme zu einer nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindruckes geführt habe (im ersteren Sinne wohl KG Berlin, NJW-RR 1992, 1232, im letztgenannten Sinne BayObLG, NJW-RR 1993, 337).
Offensichtlich habe der BGH inzwischen die Auffassung angenommen, dass nur nachteilige Veränderungen des optischen Gesamteindruckes die Rechte anderer Miteigentümer tangieren könnten. Vertieft werden müsse diese Streitfrage allerdings hier nicht, weil im vorliegenden Fall vieles dafür spreche, dass schon keine wesentliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes der Wohnanlage stattgefunden habe.
Link zur Entscheidung
( OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.1993, 3 Wx 129/92= ZMR 12/1993, 581)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer