2.1 Anspruchsvoraussetzungen
Rz. 2
Eine häusliche Gemeinschaft im Sinne des Gesetzes liegt zunächst dann vor, wenn der Arbeitgeber den Jugendlichen derart in seinen Familienhaushalt aufnimmt, dass dieser zum persönlichen Lebensmittelpunkt des Jugendlichen wird. Darüber hinaus zählt zur häuslichen Gemeinschaft auch jede andere vom Arbeitgeber selbst oder über einen Dritten geschaffene Gemeinschaft mehrerer Arbeitnehmer, wie etwa Wohn- bzw. Schwesternheime, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber an einer solchen persönlich teilnimmt.
Rz. 3
Die Verpflichtungen des § 30 JArbSchG bei Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft gehen über das Maß an Fürsorge hinaus, das einem Arbeitgeber oder Ausbildenden bereits nach den §§ 617, 618 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auferlegt ist.
Rz. 4
Der Arbeitgeber muss seiner Fürsorgepflicht im Rahmen des § 30 JArbSchG auch dann nachkommen, wenn die Erkrankung des Jugendlichen von diesem selbst verschuldet, also grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt wurde. Ob im Falle schuldhaft herbeigeführter Erkrankungen ein Anspruchsausschluss unter dem Aspekt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Betracht kommt, muss im Einzelfall beurteilt werden; er sollte jedoch auf Extremfälle beschränkt bleiben.
2.2 Anspruchsumfang
Rz. 5
§ 30 Abs. 1 Nr. 2 JArbSchG bestimmt, dass der Arbeitgeber einem in die häusliche Gemeinschaft aufgenommenen Jugendlichen bei einer Erkrankung die erforderliche Pflege und ärztliche Behandlung zuteil werden lassen muss. Dies gilt jedoch zum einen grundsätzlich nicht über die Beendigung der Beschäftigung hinaus; zum anderen tritt der Arbeitgeber lediglich dann ein, wenn Pflege und Behandlung nicht von einem Sozialversicherungsträger geleistet werden.
Rz. 6
Ärztliche Behandlung umfasst die Behandlung durch einen approbierten Arzt, ggf. durch einen Facharzt, ebenso wie einen Krankenhausaufenthalt. Pflege bedeutet zum einen die Gewährung von Verpflegung, umfasst darüber hinaus aber auch alle Leistungen, die bei Vorliegen eines Krankenversicherungsverhältnisses von der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht würden (vgl. § 617 BGB).
Für den Anspruch nach § 30 JArbSchG ist nicht von Bedeutung, ob der Jugendliche arbeitsunfähig ist.
Rz. 7
Art und Umfang der erforderlichen Pflege bzw. ärztlichen Behandlung hängen von der jeweiligen Erkrankung des Jugendlichen ab. So kann neben der ambulanten Behandlung durch einen Arzt etwa auch die Einweisung in ein Krankenhaus geboten sein. Neben der tatsächlichen Pflege und Behandlung sind auch die Kosten derselben vom Arbeitgeber zu tragen.
2.3 Anspruchsdauer
Rz. 8
§ 30 Abs. 1 Nr. 2 JArbSchG geht über § 617 BGB, der die Pflicht zur Krankenfürsorge für alle Dienstverpflichteten (nicht nur für Arbeitnehmer) normiert, hinaus: So setzt § 30 JArbSchG abweichend von § 617 BGB kein dauerndes Dienstverhältnis voraus; zur Krankenfürsorge verpflichtet bleibt auch der Arbeitgeber, der Jugendliche kurzfristig und vorübergehend bzw. geringfügig beschäftigt.
Rz. 9
Auch endet die Verpflichtung des Arbeitgebers erst mit dem Ende der Beschäftigung und ist nicht von vornherein zeitlich auf einen Zeitraum von höchstens 6 Wochen begrenzt, wie dies in § 617 BGB oder bei der Entgeltfortzahlungsverpflichtung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG vorgesehen ist.
Rz. 10
In der Literatur wird – abgeleitet aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben – im Einzelfall eine Krankenfürsorgepflicht des Arbeitgebers über das Ende der Beschäftigung hinaus befürwortet. Abhängig von Art und Schwere der Erkrankung sei die Pflege und ärztliche Behandlung im Einzelfall auch – etwa über das Auslaufen des Ausbildungsvertrags hinaus – fortzusetzen. Dieser Auslegung steht zwar der klare Wortlaut der Norm entgegen; zudem ist im Hinblick auf einen Rückgriff auf Treu und Glauben grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Gleichwohl kann dem für solche Fälle zugestimmt werden, in denen die Beendigung von Pflege und Behandlung eine offensichtliche Härte für den Jugendlichen darstellen würde, da dies dem Schutzzweck der Norm entgeg...