Katharina Haslach, Birgit Zimmermann
5.1 Allgemeines
Rz. 56
Die Rechtsstellung des Arbeitgebers ist seit dem 1.1.1995 gegenüber dem früheren Rechtszustand insofern verbessert worden, als er einen Rechtsanspruch darauf hat, dass die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 Abs. 1 SGB V) einholt und zudem die Notwendigkeit "begründeter" Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit entfallen ist, um die Tätigkeit der Krankenkasse auszulösen. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes nur absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben (§ 275 Abs. 1a Satz 4 SGB V).
Die Möglichkeit der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst besteht nur bei gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern, nicht dagegen bei privat versicherten.
5.2 Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit
Rz. 57
§ 275 SGB V lautet– soweit dieser im Zusammenhang mit der Begutachtung eines Arbeitnehmers wegen Zweifeln an seiner Arbeitsunfähigkeit von Belang ist – wie folgt:
Abs. 1: Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,
- …
- …
- bei Arbeitsunfähigkeit
- ...
- zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) einzuholen.
Abs. 1a: Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen
- Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
- die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Rz. 58
Eine auffällige Häufung von Krankheiten oder Kurzerkrankungen kann nur im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern eines Betriebs festgestellt werden. Dabei wird man richtigerweise nicht zwingend immer die Gesamtbelegschaft eines Betriebs als "Vergleichsgruppe" heranziehen können oder müssen. Der Krankenstand in der Produktion kann z. B. bereits deshalb höher liegen, weil die Arbeitsbedingungen dort eher zu Erkrankungen führen als in der Verwaltung (Zugluft, Staub, schweres Heben und Tragen). Eine geeignete Vergleichsgruppe wird deshalb immer die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen müssen. Nach der Gesetzesbegründung ist von einer besonderen Häufung dann zu sprechen, wenn die Wiederholung nach allgemeiner Lebenserfahrung "nicht plausibel" erscheint. Mehrfach wird hierzu vertreten, dass dies dann zu bejahen ist, wenn ein Arbeitnehmer Krankheitswerte aufweist, die um 50 % über seiner Vergleichsgruppe liegen.
Ob ein Arbeitnehmer dagegen häufig zu Wochenbeginn bzw. zu Wochenende arbeitsunfähig ist, lässt sich nur in der Person des Arbeitnehmers feststellen. Ein Vergleichsmaßstab mit anderen Arbeitnehmern ist hier nicht heranzuziehen. Bei den zu treffenden Feststellungen dürften zunächst Krankheitszeiträume auszuscheiden sein, bei denen ein Missbrauchsverdacht nicht auftritt, wie dies z. B. bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Unfällen oder Krankenhausaufenthalten in der Regel der Fall sein dürfte. Sodann ist ein Vergleich zu den Erkrankungen zu ziehen, die nicht auf den Wochenbeginn bzw. das Ende der Woche fielen. Auch hier wird eine 50 %-ige Überschreitung als nicht mehr nachvollziehbar angesehen. Feste zeitliche Vorgaben hinsichtlich eines Mindestzeitraums, ab dem Auffälligkeiten i. S. d. Gesetzes vorliegen, scheiden naturgemäß aus. Richtigerweise ist allerdings ein gewisser Zeitraum zugrunde zu legen. Dieser dürfte mindestens einige Wochen, eher wohl einige Monate umfassen. Stellt sich die Erkrankung des Arbeitnehmers jedoch regelmäßig zu Wochenbeginn bzw. zum Wochenende ein, während er ansonsten gar nicht oder in zu vernachlässigendem Umfang erkrankt, wird auch ein sehr kurzer Zeitraum von wenigen Wochen ausreichend aussagekräftig und geeignet sein.
Rz. 59
Ob ein Arzt durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auffällig geworden ist, lässt sich wiederum nur im Vergleich zu anderen Ärzten feststellen. Sinnvoll scheint es dabei, auf Ärzte der gleichen Fachrichtung im jeweiligen Bezirk abzustellen. Zu berücksichtigen ist auch die Zahl der behandelten Patienten.
§ 275 Abs. 1a SGB V ist nicht abschließend. Deshalb können gerade auch Handlungen des erkrankten Arbeitnehmers Grundlage von Zweifeln an seiner Arbeitsunfähigkeit bzw. deren Dauer hervorrufen. Hier kann insbesondere auf die Fallgestaltungen zurückgegriffen werden, die den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern.
Rz. 60
Die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen erlassenen "Richtlinien über die Zusammenarbeit der ...