Rz. 6
Nach dem klaren Wortlaut des § 12 EFZG sind alle Vereinbarungen, die nicht zugunsten der Arbeitnehmer (bzw. der nach §§ 10 und 11 EFZG Berechtigten) oder in Anwendung der gesetzlichen Öffnungsklausel nach § 4 Abs. 4 EFZG von § 12 EFZG abweichen, nicht zulässig. Dies gilt grundsätzlich für alle Arten von Vereinbarungen, also sowohl für die Normen von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen als auch für einzelvertragliche Vereinbarungen. Reinhard weist zu Recht darauf hin, dass gerade bei Letzteren die Gefahr groß sei, dass es zu Gesetzesverletzungen kommt. Im Einzelnen gilt Folgendes:
2.2.1 Tarifvertrag
Rz. 7
Grundsätzlich darf durch Tarifverträge nicht zuungunsten der Arbeitnehmer bzw. der in §§ 10 und 11 EFZG genannten Personen abgewichen werden. Eine Ausnahme nennt § 12 EFZG selbst, indem auf § 4 Abs. 4 EFZG verwiesen wird. Dort ist geregelt, dass durch Tarifvertrag eine abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden kann.
Rz. 8
Keinen Verstoß gegen § 12 EFZG stellen Fallgestaltungen dar, in denen Ansprüche kraft einer tariflichen Ausschlussfrist nach Ablauf bestimmter Fristen erlöschen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) argumentiert, diese Fristen für die Geltendmachung von Entgeltfortzahlungsansprüchen beträfen nicht den Inhalt des Anspruchs, sondern lediglich dessen Geltendmachung und zeitliche Begrenzung, sodass insgesamt keine Abweichung vom Entgeltfortzahlungsgesetz gegeben sei. In einer neueren Entscheidung bestätigt das BAG, dass dies auch für einzelvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen gilt.
Einschränkend hat das BAG entschieden, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns nicht einer Ausschlussfrist unterworfen werden kann.
Rz. 9
Gem. § 10 Abs. 4 EFZG kann durch Tarifvertrag für in Heimarbeit Beschäftigte vereinbart werden, dass sie statt des Zuschlags nach § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EFZG diejenige Entgeltfortzahlung erhalten, die Arbeitnehmern im Falle von Arbeitsunfähigkeit nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz zusteht. Dies gilt selbst dann, wenn diese Regelung im Einzelfall für den Heimarbeiter ungünstiger ist.
2.2.2 Betriebsvereinbarung
Rz. 10
Betriebsvereinbarungen werden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abgeschlossen und gestalten unmittelbar und zwingend die betrieblichen Arbeitsverhältnisse (§ 77 BetrVG). Durch sie kann nicht zuungunsten der Arbeitnehmer von den Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes abgewichen werden; gleichwohl abgeschlossene Betriebsvereinbarungen sind unwirksam. Wegen der Vorschrift des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, wonach Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können, sind Abweichungen i. S. d. § 12 EFZG durch Betriebsvereinbarungen ohnehin selten.
Vom Verbot des § 12 EFZG erfasst werden auch Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Sprecherausschuss für Leitende Angestellte (vgl. § 28 SprAuG) sowie Dienstvereinbarungen.
2.2.3 Bindende Festsetzungen nach § 19 HAG
Rz. 11
Nach § 19 HAG kann der Heimarbeitsausschuss Entgelte und sonstige Vertragsbedingungen mit bindender Wirkung für alle Auftraggeber und Beschäftigten seines Zuständigkeitsbereichs festsetzen. Auch diese Festsetzungen dürfen nicht zuungunsten der in Heimarbeit Beschäftigten bzw. der ihnen Gleichgestellten von den Vorschriften der §§ 10 und 11 EFZG abweichen.
2.2.4 Einzelvertragliche Vereinbarungen
Rz. 12
Auch einzelvertragliche Abweichungen von den Vorschrift...