Rz. 22
Vereinfacht nach BAG, Urteil v. 20.8.1980, 5 AZR 218/78:
Firma F kündigte am 23.11. das Arbeitsverhältnis mit dem bei ihr seit dem 13.9. beschäftigten, jedoch vom 8.11. bis 12.12. arbeitsunfähigen Arbeitnehmer A fristlos. Im Kündigungsschutzverfahren wurde das Arbeitsverhältnis durch gerichtlichen Vergleich vom 21.12. zum 30.11. beendet.
Im Streit steht die Entgeltfortzahlung vom 1.12. bis 12.12.
Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist ein Verzicht auf noch nicht entstandene Ansprüche grundsätzlich unzulässig. Das hat das BAG in der dem Beispiel zugrunde gelegten Entscheidung deutlich gemacht. Rechtlich kann ein Verzicht auf noch nicht entstandene Ansprüche wegen der Vorschrift des § 8 EFZG relevant werden: Danach wird der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt.
Wenn also – wie in dem der genannten Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Sachverhalt – ein Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit gekündigt wird, besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortzahlung des Entgelts über den Beendigungszeitpunkt hinaus. Dieser Anspruch entsteht jedoch – wie sonstige Entgeltansprüche auch – erst zu dem Zeitpunkt, zu dem das Entgelt normalerweise zu zahlen gewesen wäre. Auf einen solchen Anspruch kann der Arbeitnehmer nicht vor Fälligkeit verzichten.
Rz. 23
Eine Ausnahme lässt das BAG (a. a. O.) jedoch für den Fall einer Schlussabrechnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu, wenn also die zwischen den Arbeitsvertragsparteien bestehenden Rechtsbeziehungen – das Arbeitsverhältnis oder der nach § 8 EFZG bedeutsame Entgeltfortzahlungszeitraum nach einer aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochenen Kündigung – vor dem normalen Entgeltzahlungstag enden, also etwa durch einen Prozessvergleich. Mit dem Ende der rechtlichen Beziehungen werden in der Regel alle noch offenen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfüllt. Regelmäßig wird der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass er mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle bis dahin entstandenen Ansprüche geltend machen und deren Erfüllung verlangen kann. Widerspricht dem der Arbeitgeber nicht – so das Bundesarbeitsgericht –, wünscht er vielmehr selbst die Abwicklung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu diesem früheren Zeitpunkt, so liegt in dem Verhalten der Parteien die zulässige Vereinbarung, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis unabhängig vom betrieblichen Entgeltzahlungstermin zum gegenwärtigen Zeitpunkt fällig sein sollen.
Diese Motivation der Arbeitsvertragsparteien stehe nicht im Widerspruch zu § 12 EFZG: Wenn der Arbeitnehmer bei oder nach Fälligkeit den Entgeltfortzahlungsanspruch erlasse, werde er damit nicht rückwirkend für die Zeit der bisherigen Dauer der Arbeitsunfähigkeit in Sorge um seinen Lebensunterhalt versetzt. Die hinter ihm liegende Zeit übersehe er; er könne beurteilen, ob er den am Fälligkeitstag zu zahlenden Lohn für seinen Lebensunterhalt in der Zukunft benötige.
Im Beispielsfall haben F und A mit ihrem Prozessvergleich vom 21.12. alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erledigen wollen. Spätestens damit ist auch der Entgeltfortzahlungsanspruch fällig gestellt worden, so das Bundesarbeitsgericht. A konnte daher im Vergleich auf diesen Anspruch verzichten, ohne dass § 12 EFZG entgegenstand.
Rz. 24
Ein Tatsachenvergleich, bei dem die Parteien sich auf einen Sachverhalt "einigen" und diesen im Wege gegenseitigen Nachgebens erledigen, ist also möglich. Dies wird ergänzend an folgendem Beispiel deutlich:
Nach ErfK/Dörner, 12. Aufl. 2012, § 12 EFZG, Rz. 6:
Arbeitnehmer A und sein Arbeitgeber streiten über das die Entgeltfortzahlung ausschließende Verschulden des A (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG). Sie erledigen ihren Streit durch einen Vergleich, der zwar ein Verschulden des A unterstellt, aber zugleich vorsieht, dass der Arbeitgeber eine Ausgleichssumme zahlt.
Hier ist § 12 EFZG nicht verletzt, weil nicht von den Vorschriften des Gesetzes abgewichen wird.