Leitsatz
Die Vorschriften zur Besteuerung von Altersbezügen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, sofern das Verbot der Doppelbesteuerung eingehalten wird.
Normenkette
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, Art. 3, Art. 20 GG
Sachverhalt
Der 1931 geborene Beschwerdeführer, ein ehemaliger Wirtschaftsprüfer, bezieht seit dem 1.4.1996 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Er war überwiegend selbstständig gewesen und hatte mehrfach Beiträge oberhalb der Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet. Im Streitjahr 2005 besteuerte das FA seine Renteneinkünfte erstmals mit dem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. aDoppelbuchst. aa EStG i.H.v. 50 %. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen und die anschließende Revision (BFH, Urteil vom 19.1.2010, X R 53/08, BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, BFH/NV 2010, 986) nur insoweit Erfolg, als auf einen Teil der Renteneinkünfte die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. aDoppelbuchst. bb Satz 2 EStG angewandt werden konnte. Der Beschwerdeführer hat gegen das Urteil des FG im 2. Rechtszug, mit dem dieser Anteil ermittelt wurde, Verfassungsbeschwerde erhoben. Er macht einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, die Verletzung des Vertrauensschutzes sowie eine unzulässige Doppelbesteuerung geltend.
Entscheidung
Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen nicht zur Entscheidung an.
Hinweis
Mit drei sehr ausführlich begründeten Nichtannahmebeschlüssen (neben dem vorliegenden Beschluss die Nichtannahmebeschlüsse vom 30.9.2015, 2 BvR 1961/10 (BFH/NV 2016, 367) und vom 30.9.2015, 2 BvR 1066/10 (Haufe-Index 8769346) hat sich das BVerfG erstmals auch inhaltlich mit der seit 2005 geltenden Neuregelung der Altersrentenbesteuerung durch das AltEinkG auseinandergesetzt.
Das BVerfG kommt zu den folgenden Kernaussagen:
1. Die endgültige Ausgestaltung der Besteuerung der Alterseinkünfte, in der die Alterseinkünfte von vormals Pflichtversicherten und von vormals freiwillig gesetzlich Versicherten unterschiedslos nachgelagert besteuert werden, führt zu keiner Ungleichbehandlung dieser beiden Personengruppen, da alle Rentenanwartschaften in der aktiven Phase unter vergleichbaren Bedingungen aus nicht versteuertem Einkommen gebildet werden können.
Die ungleiche Besteuerung der privaten Renten- und Lebensversicherungen, die noch mit dem Ertragsanteil besteuert werden können, ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich, da sich die privaten Renten von der Basisaltersversorgung dadurch unterscheiden, dass sie vorgelagert und nicht nachgelagert besteuert werden.
2. Die Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte der Basisversorgung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. aDoppelbuchst. aa Sätze 3 ff. EStG wird vom BVerfG anhand des Art. 3 GG sowie der Verletzung des Vertrauensschutzes sowie der Einhaltung des Verbots der Doppelbesteuerung geprüft.
3. Das größte verfassungsrechtliche Problem hat das BVerfG erkennbar in der Vereinbarkeit mit Art. 3 GG gesehen. Nach seiner Auffassung ist die Gleichbehandlung der Altersrenten von vormals selbstständig Tätigen und von vormals angestellten Rentnern trotz der unterschiedlichen steuerlichen Vorbelastung der geleisteten Beiträge in der Ansparphase (insb. wegen des steuerfreien Arbeitgeberanteils nach § 3 Nr. 62 EStG) hinzunehmen. Grund sind zum einen die bestehenden Strukturunterschiede zwischen der typischen Altersversorgung Selbstständiger und der vormaliger Arbeitnehmer. Der entscheidende Grund, um die Vereinbarkeit der Übergangsregelung mit Art. 3 GG bejahen zu können, ist für das BVerfG jedoch der Aspekt der Praktikabilität. Die vom Gesetzgeber aus Gründen der Steuervereinfachung getroffene Entscheidung für eine unterschiedslose Besteuerung der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. aDoppelbuchst. aa Satz 1 EStG genannten Leibrenten mache eine Aufteilung der Leibrenten der Basisversorgung in einen nach Doppelbuchst. aa und einen nach Doppelbuchst. bb zu besteuernden Teil entbehrlich. Dies hätte ansonsten einen erheblichen Verwaltungsaufwand bedeutet. Das BVerfG bestätigt so die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und kommt auch unter dem Aspekt der Typisierung zu dem Ergebnis, dass bei einer Gesamtbetrachtung die Erwägungen des Gesetzgebers als vertretbar anzusehen seien. Die Unterschiede zwischen Selbstständigen und Arbeitnehmern fielen nicht derart ins Gewicht, dass sie einer aus Gründen der Steuervereinfachung erforderlichen typisierenden Gleichbehandlung zwischen beiden Personengruppen in dem notwendigen Übergangszeitraum grundsätzlich entgegenstehen könnten.
4. Auch eine Verletzung des Vertrauensschutzgrundsatzes sowie des Rückwirkungsverbots verneint das BVerfG. Es liege eine tatbestandliche Rückanknüpfung, also eine unechte Rückwirkung vor. Die nach Vorgaben des AltEinkG zu besteuernden Renteneinkünfte gingen auf Dispositionen der Steuerpflichtigen zurück, die...