Leitsatz

Die Versammlung der Eigentümer kann zwar Nutzungsregelungen hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums aufstellen, nicht aber in das Sondereigentum eingreifen

 

Normenkette

§ 21 Abs. 3 WEG

 

Das Problem

  1. Ein Bauträger behält sich vor, die Gemeinschaftsordnung dahin gehend zu ändern, dass die Sondernutzungsrechte an den ober- und unterirdischen Pkw-Abstellplätzen bestimmten Wohnungen zugeordnet werden. Von dieser Ermächtigung macht er bereits 1973 Gebrauch, ergänzt die Gemeinschaftsordnung und ordnet alle Pkw-Abstellplätze bestimmten Eigentumswohnungen dinglich zu. Diese Änderung der Teilungsordnung wird im Folgenden nicht beachtet, sodass derzeit etwa jeder 3. Wohnungseigentümer einen Stellplatz nutzt, der nicht zu seinem Wohnungseigentum gehört. Dies fällt erstmals 2012 einem Notar auf.
  2. Um dieses Problem zu beseitigen, fassen die Wohnungseigentümer folgenden Beschluss:

    Die Gemeinschaft beschließt, die Zuteilung der Stellplätze ab sofort entsprechend dem Nachtrag zur Teilungserklärung vorzunehmen. Diejenigen Eigentümer, die derzeit auf anderen Stellplätzen als im Nachtrag zugewiesen stehen, müssen diese Plätze räumen und die Plätze gemäß Nachtrag nutzen. Eigentümer werden hiergegen im Wege der Anfechtung vorgehen. Die Gemeinschaft erklärt sich bereit, die dadurch entstandenen Kosten zur Herbeiführung der Rechtssicherheit zu übernehmen. Die Neubelastung der Betriebskosten der Tiefgarage wird erst nach Klärung der rechtlichen Fragen erfolgen.

  3. Diesen Beschluss greift ein Wohnungseigentümer an. Er ist der Auffassung, durch den Beschluss werde unzulässigerweise in die Rechte der Wohnungseigentümer eingegriffen, die durch den Beschluss verpflichtet würden, einen Pkw-Stellplatz, den sie gutgläubig erworben hätten, mit einem anderen Wohnungseigentümer zu tauschen. Dies sei nicht hinnehmbar, da die unterirdischen und die oberirdischen Pkw-Abstellplätze unterschiedliche Kosten verursacht hätten.
  4. Die beklagten Wohnungseigentümer sind der Auffassung, der Beschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Sie weisen darauf hin, dass die Problematik dringend gelöst werden müsse. Zum einen könne der Verwalter derzeit keine Zustimmungen zu Verkäufen von Eigentumswohnungen erteilen, zum anderen stehe eine Sanierung der Tiefgarage an, die nicht in Angriff genommen werden könne, solange nicht die Nutzer der Tiefgarage feststünden.
 

Entscheidung

  1. Mit Erfolg! Die beklagten Wohnungseigentümer wiesen zwar völlig zurecht darauf hin, dass die Frage der Zuordnung der Stellplätze zu den einzelnen Eigentumswohnungen so schnell wie möglich geklärt werden und Rechtsklarheit herbeigeführt werden müsse. Dies sei jedoch mit dem angefochtenen Beschluss nicht möglich.
  2. Er sei zu unbestimmt. Um die gewünschte Rechtsklarheit herbeizuführen, hätte man konkret beschließen müssen, welcher Pkw-Abstellplatz zu welcher Eigentumswohnung zugeordnet wird.
  3. Jedenfalls sei der Beschluss nichtig. Den Wohnungseigentümern habe die Beschlusskompetenz gefehlt. Die "Versammlung der Eigentümer" könne zwar "Nutzungsregelungen" hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums aufstellen, nicht aber in das Sondereigentum eingreifen. Wolle man Rechtsklarheit herbeiführen, müsse man aber in die dingliche Zuordnung der Pkw-Abstellplätze eingreifen. Dies treffe jedoch den Kernbereich des Sondereigentums und sei daher der Beschlusskompetenz entzogen, sodass der angefochtene Beschluss nichtig sei.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Wer sich im WEG-Sachenrecht nicht auskennt, kann entsprechende Fälle nicht lösen. So ging es hier dem Amtsgericht – das leider fast alles falsch machte und auch in den Begriffen "schwimmt".
  2. Die dingliche Rechtslage ist einfach und klar. Die Sondernutzungsrechte hatten an der Eigentumslage nichts geändert. Eigentümer der entsprechenden Flächen waren sämtliche Wohnungseigentümer. Soweit das Amtsgericht durch den Beschluss daher einen Eingriff ins Sondereigentum sieht, irrt es. Im Übrigen könnte man nach § 15 Abs. 2 WEG sehr wohl zum Gebrauch des Sondereigentums beschließen.
  3. Die jeweiligen Sondernutzungsrechte sind durch die wirksame nachträgliche Erklärung des Bauträgers jeweils Inhalt des Sondereigentums geworden (§§ 10 Abs. 3, 5 Abs. 4 Satz 1 WEG). Wer welchen Stellplatz gebrauchen darf, steht damit seit 1973 fest. Der spätere abweichende Gebrauch hat an der dinglichen Rechtslage nichts geändert. Auch die Kaufverträge der Wohnungseigentümer waren jeweils unbeachtlich. Zwar kann ein Sondernutzungsrecht gutgläubig erworben werden. Dazu muss es aber bei einem Wohnungseigentum falsch verbucht worden sein. Das war hier jeweils nicht der Fall.
  4. Der Beschluss war völlig unnötig. Er stellt aber auch – was die Zuordnung betrifft – nur fest, was sowieso gilt.

Was muss der Verwalter wissen?

Verwalter sollten sich in sachenrechtlichen Fragen grundsätzlich auskennen. Da sie das gemeinschaftliche Eigentum verwalten, müssen sie erkennen, welche Flächen nur einem Sondernutzungsrecht unterliegen, und daher auch von ihnen zu verwalten sind.

 

Link zur Entscheidung

AG Wiesbaden, Urteil...

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