Leitsatz
Macht der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft Ansprüche gegen einzelne Wohnungseigentümer geltend, vertritt er die Gemeinschaft mit Ausnahme der Antragsgegner.
Sachverhalt
Zwischen den Mitgliedern einer Wohnungseigentumsanlage herrschte Streit. Die von der Mehrheit gewählte Verwalterin wurde von der Minderheit nicht anerkannt, weshalb es mehrfach zu einstweiligen Anordnungen kam und letztlich ein Notverwalter eingesetzt wurde. Dieser erstellte die Jahresabrechnungen, nunmehr weigerte sich die Mehrheit hierüber zu beschließen. Im Auftrag des Notverwalters leitete ein Rechtsanwalt namens der Eigentümergemeinschaft über 200 Verfahren gegen die Mitglieder der streitenden Mehrheit auf Feststellung der ordnungsgemäßen Abrechnung sowie auf Feststellung des Wirtschaftsplans ein.
In den jeweiligen Verfahren waren Antragsgegner je ein Mitglied der Mehrheit, als Antragsteller wurden alle anderen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgeführt, also auch die Mehrheit, jeweils mit Ausnahme desjenigen, gegen den sich das Verfahren richtete. Sämtliche Verfahren erledigten sich später, der Rechtsanwalt nimmt nunmehr die Mitglieder der Mehrheit als Gesamtschuldner wegen seines Honorars in Anspruch.
Entscheidung
Der BGH hatte sich hier mit einer in Literatur und Rechtsprechung heftig umstrittenen Frage auseinanderzusetzen: Kann ein Wohnungseigentümer im gerichtlichen Verfahren zugleich Antragsteller und Antragsgegner sein? Die Richter verneinten dies - Konsequenz für den Rechtsanwalt: Ein Honoraranspruch gegen die Mehrheit der Wohnungseigentümer steht ihm nicht zu, diese wurde nämlich gar nicht zu seinen Mandanten.
Einige Gerichte sind der Auffassung, ein Verwalter könne, soweit er außergerichtlich und gerichtlich Ansprüche im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer geltend macht, die Wohnungseigentümergemeinschaft auch unter Einschluß des jeweiligen Antragsgegners gegen diesen vertreten. Grund für diese Ansicht: Die Geltendmachung von Ansprüchen im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer gehört zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, die nach § 21 Abs. 1 WEG allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zusteht. Zwar entscheidet über die Geltendmachung derartiger Ansprüche die Gesamtheit aller Wohnungseigentümer, hieraus folgt aber nicht, daß der Verwalter, dem letztlich die Durchführung des Beschlusses der Wohnungseigentümer obliegt, dabei zugleich für und gegen einzelne Wohnungseigentümer auftreten darf. Macht nämlich der Verwalter Ansprüche der "Wohnungseigentümergemeinschaft" gegen einzelne Wohnungseigentümer geltend, tritt er nicht für die Eigentümergemeinschaft als solche auf, sondern für jeden einzelnen - und dabei nicht unbedingt alle - der Wohnungseigentümer auf.
Ein anwaltliches Mandat setzt zwar nicht voraus, daß sämtliche Mitglieder der Gemeinschaft aufgrund einheitlichen Willens an den Rechtsanwalt herantreten. Der Anwalt kann also in einem Rechtsstreit gegen außenstehende Dritte wie Handwerker, Behörden oder Mieter auch dann auftreten, wenn er zwar hierzu von der Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragt wurde, einzelne Mitglieder jedoch eventuell auf seiten des außenstehenden Dritten stehen.
Auf das Innenverhältnis der Wohnungseigentümer ist dies jedoch nicht zu übertragen. Hier würde sich der Rechtsanwalt eher in einem unlösbaren Interessenkonflikt befinden. Denn die Sachlage stellt sich dann so dar, daß der Anwalt im Auftrag des Wohnungseigentümers sowohl für als auch gegen diesen auftritt. Und so wenig nun mal ein Wohnungseigentümer zugleich Schuldner und Gläubiger derselben Forderung sein kann, so wenig kann er zugleich Antragsteller und Antragsgegner in einem gerichtlichen Verfahren sein.
Link zur Entscheidung
BGH, Teilurteil vom 02.07.1998, IX ZR 51/97
Fazit:
Hier heißt es also aufgepaßt: Zu unterscheiden sind Ansprüche im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander bzw. der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen das jeweilige Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft und Ansprüche im Außenverhältnis, also solche der Eigentümergemeinschaft gegen außenstehende Dritte. Nur im letzten Fall ist der Verwalter befugt, einen Rechtsanwalt im Auftrag der gesamten Wohnungseigenümergemeinschaft auch unter Einschluß solcher Wohnungseigentümer zu beauftragen, die sich an dem Rechtsstreit an sich gar nicht beteiligen wollen. Dann und nur dann sind auch sämtliche Wohnungseigentümer verpflichtet, für Honoraransprüche des Rechtsanwalts aufzukommen.
Auf das Innenverhältnis der Wohnungseigentümer kann dies nunmehr nach dem Urteil des BGH nicht übertragen werden. Macht nämlich die Eigentümergemeinschaft gegen eines ihrer Mitglieder Ansprüche geltend, so kann derjenige Wohnungseigentümer gegen den sich die Ansprüche richten schlechterdings zugleich als Mitglied der Eigentümergemeinschaft gegen sich vertreten werden.