Leitsatz
Die Ausschlussvoraussetzungen des § 4 I 6 b AHB können auch dann gegeben sein, wenn die Tätigkeit an oder mit der beschädigten Sache weder geboten noch zweckmäßig, sondern falsch, unvernünftig oder verboten war oder aus einem sonstigen Grund offensichtlich dem Zweck des Auftrags oder dem Willen des Auftraggebers widersprach.
Normenkette
§ 4 I 6 b AHB
Sachverhalt
Die Kl. war mit der Montage eines Untergestells an eine Negativform aus Kunststoff zur Herstellung von Rotorblättern für Windkraftanlagen beauftragt. Die Mitarbeiter der Kl. hatten ohne Notwendigkeit die Negativform auf der Positivform (Urform), von der die Negativform genommen war, belassen und die Positivform "quasi" als "Tisch" benutzt; dabei wurde sie beschädigt.
Nach 3.11 der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Risikobeschreibung zur Betriebshaftpflichtversicherung bestand abweichend von § 4 I 6 b AHB für so genannte Bearbeitungsschäden Deckung bis 5.000 DM je Schadenereignis; für den darüber hinausgehenden Schadenbetrag versagte die Bekl. unter Hinweis auf den Ausschluss nach § 4 I 6 b AHB Deckungsschutz.
Das OLG wies die Klage zurück.
Entscheidung
Das OLG führte aus, das Positivmodell sei Ausschlussobjekt gemäß § 4 I 6 b AHB. Nach dieser Bestimmung beziehe sich der Versicherungsschutz auf Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen (z. B. Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung u. dgl.) entstanden sind. Unter einer Tätigkeit an oder mit fremden Sachen sei grundsätzlich jedes bewusste oder gewollte Handeln zu verstehen. Hierbei sei es unerheblich, ob die beschädigte Sache "im Mittelpunkt des Auftrags" stand; es genüge, dass der Versicherungsnehmer bewusst und gewollt auf diese eingewirkt hat, auch wenn dies als Mittel zu einem Zweck geschah, der eine andere Sache zum Gegenstand hatte. Es komme auch nicht darauf an, ob die Einwirkung auf die Sache zur Erfüllung des Auftrags notwendig war oder von den Vertragsschließenden übereinstimmend gewollt war oder von dem Versicherungsnehmer als zur Erledigung des Auftrags erforderlich angesehen wurde. Vielmehr könnten die Ausschlussvoraussetzungen auch dann gegeben sein, wenn die Tätigkeit an oder mit der beschädigten Sache weder geboten noch zweckmäßig, sondern falsch, unvernünftig oder verboten war oder aus einem sonstigen Grund offensichtlich dem Zweck oder dem Willen des Auftraggebers widersprach (BGH, VersR 60, 109; BGH, VersR 61, 601; BGH, r+s 98, 58; KG, VerR 77, 1141; OLG Hamm, VersR 89, 468). Eine Tätigkeit mit einer Sache liege insbesondere dann vor, wenn bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise eine instrumentale Verwendung einer anderen fremden Sache anzunehmen ist.
Die Anwendung der dargelegten Grundsätze führe zu der Feststellung, dass die Ausschlussvoraussetzungen des § 4 I 6 b AHB im vorliegenden Fall erfüllt sind.
Eine gezielte und bewusste Einwirkung auf das Positivmodell liege zunächst darin, dass die Mitarbeiter der Kl. das Untergestell mit vier Schraubzwingen an dem Positivmodell befestigt haben. Zwar behaupte die Kl. in der Berufungserwiderung, es sei versehentlich nur eine Schraubzwinge statt mit dem Negativmodell mit dem Positivmodell verbunden worden. Sollte dieser Vortrag richtig sein, könne die Befestigung der Schraubzwingen möglicherweise als zufälliges und nicht bewusstes Einwirken auf das Positivmodell gewertet werden …
Selbst wenn man jedoch den neuen Vortrag der Kl. im Berufungsverfahren zugrunde legen wolle, wäre das Positivmodell Ausschlussobjekt. Allein die Nutzung des Positivmodells als Tisch stelle eine bewusste und gewollte Tätigkeit mit fremden Sachen dar. Denn das Positivmodell sei als Hilfsmittel genutzt worden, um die eigentliche Tätigkeit, das Anpassen des Untergestells an die Negativform, leichter durchführen zu können. Die - angeblich nach dem Vortrag der Berufungserwiderung - versehentliche Befestigung der ersten Schraubzwinge am Positivmodell wäre - sollte der Vortrag der Kl. richtig sein - bereits die schadenstiftende, nämlich die planwidrige und versehentliche Handlung. Dass diese bewusst und gewollt vorgenommen wird, sei nicht notwendig. Es reiche, wenn sie nur in den Rahmen der bewussten und gewollten Tätigkeit - hier also der Nutzung des Positivmodells als Tisch - fällt.
Link zur Entscheidung
OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 24.06.1998, 2 U 80/98