Leitsatz
Die Parteien, ein deutscher Staatsangehöriger und eine russische Staatsangehörige, hatten im Jahre 1995 geheiratet und waren aufgrund des Ehescheidungsantrages des Ehemannes mit Endurteil des FamG vom 11.4.2006 geschieden worden. In dem Urteil wurde festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Parteien hätten den Versorgungsausgleich in einem notariellen Vertrag wirksam ausgeschlossen. Der Vertrag sei weder sittenwidrig noch führe die Rechtsausübungskontrolle zur Unanwendbarkeit, da die Antragsgegnerin durch die Geburt und Erziehung des gemeinsamen Kindes keine versorgungsbedingten Nachteile erlitten habe.
Gegen diese Entscheidung legte die Antragsgegnerin Beschwerde ein und begehrte die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Zur Begründung führte sie aus, der geschlossene Ehevertrag sei sowohl in einzelnen Punkten, insbesondere im Hinblick auf die weitgehende Einschränkung des nachehelichen Unterhalts sowie den Ausschluss des Versorgungsausgleichs - als auch insgesamt - sittenwidrig, da der Vertrag sie völlig rechtlos stelle. Zum anderen führe auch die Ausübungskontrolle zu einer Unwirksamkeit, da sie durch Ehe und Geburt und Erziehung des Kindes daran gehindert gewesen sei, Karriere zu machen und höhere Versorgungsanwartschaften zu erwerben.
Demgegenüber berief sich der Antragsteller auf die Wirksamkeit des Ehevertrages.
Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin hatte Erfolg.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, der Versorgungsausgleich sei durchzuführen, da dessen Ausschluss im Ehevertrag vom 24.8.1995 nach § 138 BGB sittenwidrig sei.
Nach § 1408 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 BGB könnten Ehegatten grundsätzlich Vereinbarungen über Scheidungsfolgen schließen, insbesondere auch den Versorgungsausgleich ausschließen. Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen dürfe aber nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werde. Insbesondere dürfe nicht eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstehen, die für den belasteten Ehegatten bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar wäre (vgl. BGH FamRZ 2004, 601; FamRZ 2006, 1359 [1360]).
Dabei wirke die Belastung des Ehegatten umso schwerer, je mehr in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingegriffen werde. Hierzu zähle neben dem an erster Stelle stehenden Bereich des Kindesbetreuungsunterhalts nach § 1570 BGB an zweiter Stelle der Bereich des Versorgungsausgleichs (vgl. BGH FamRZ 2005, 26).
Bei Anwendung dieser Grundsätze sei der zwischen den Parteien am 24.8.1995 geschlossene Ehevertrag in seiner Gesamtheit als sittenwidrig und dadurch unwirksam anzusehen. Der Vertrag enthalte in zwei Fällen Regelungen, die den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts beträfen. Dies betreffe zum einen die weitgehende Einschränkung des Kindesbetreuungsunterhalts und zum anderen den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Die Einseitigkeit der Regelungen hierzu würden noch durch den sonstigen Inhalt des Ehevertrages verstärkt. Dieser sehe zusätzlich Gütertrennung, einen vollständigen Ausschluss sonstiger Unterhaltsansprüche, sowie eine Zuweisung der Ehewohnung für den Fall der Trennung und Scheidung an den jeweiligen Eigentümer sowie eine Regelung über das Eigentum am Hausrat vor. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Antragsteller bei Eingehung der Ehe in Besitz einer Eigentumswohnung sowie des wesentlichen Hausrats war und über erheblich höheres Einkommen verfügt habe, während die aus Russland eingereiste Antragsgegnerin über kein nennenswertes Vermögen verfügt habe, führten jedenfalls die Regelungen zum Hausrat und zur Ehewohnung zu einer klaren Benachteiligung der Ehefrau. Die Gesamtregelung des Ehevertrages stelle daher eine einseitige Schlechterstellung der Ehefrau gegenüber der gesetzlichen Regelung dar, die durch keinerlei Gegenleistung im Vertrag kompensiert werde.
Die einseitige Schlechterstellung der Ehefrau sei entgegen der Ansicht des Ehemannes auch nicht durch besondere Verhältnisse der Parteien, den Ehetyp oder sonstige gewichtige Belange gerechtfertigt. Dabei könne zugunsten des Ehemannes unterstellt werden, dass die Ehefrau über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt habe und ihr der Ehevertrag rechtzeitig vor dessen Beurkundung zur Verfügung gestellt worden sei. Sie habe sich gleichwohl in einer erheblich schwächeren wirtschaftlichen Position und einer erheblichen Drucksituation befunden. Das von beiden Parteien gewünschte Zusammenleben in Deutschland sei wegen ihrer ablaufenden Aufenthaltserlaubnis nur möglich gewesen, wenn eine schnelle Heirat erfolgte. Diese Drucksituation habe der Antragsteller nicht einseitig dadurch ausnutzen dürfen, dass er sich nur gegen Abschluss eines evident für die Antragsgegnerin nachteiligen Ehevertrages zur Heirat bereit erklärte.
Die Sittenwi...