Rz. 67
Das Aushandeln vorformulierter Vertragsbedingungen setzt voraus, dass der Verwender ernsthaft und unzweideutig seine Bereitschaft erklärt, über die von ihm gestellten Vertragsbedingungen zu verhandeln und diese ggf. zu ändern. Aushandeln setzt mehr voraus als bloßes Verhandeln. Der Verwender muss den gesetzesfremden Kerngehalt der Vertragsbedingungen inhaltlich zur Disposition stellen. Das sind diejenigen Bedingungen, die eine kraft Gesetzes bestehende Rechtslage ändern oder ergänzen i.S.v. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Dem Kunden muss eine aktive Einflussnahme auf diese Klauseln ermöglicht werden.
Rz. 68
Ein Aushandeln muss sich nicht in einer Änderung der Klausel niederschlagen, wenn dies auch der Regelfall sein wird. Eine allgemeine Erklärung des Verwenders, zu einem Preisnachlass von 10 % bereit zu sein bei Akzeptanz der AGB durch den Kunden, reicht jedoch nicht aus, da eine Kompensation nur in der betreffenden Klausel oder in einer im inneren Zusammenhang mit der Klausel stehenden Bestimmung erfolgen kann. Kompensationen in Bereichen, die einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB entzogen sind, sind rechtlich unbeachtlich, da hiermit keine Verschiebung der zu berücksichtigenden Werteordnung verbunden ist.
Rz. 69
Ein Aushandeln bezieht sich stets auf eine bestimmte Klausel und muss auch für jede Klausel nachgewiesen sein. Wird allerdings die Laufzeit auf fünf Jahre ausgehandelt, so kann der Kündigungsausschluss innerhalb dieser Zeit mit ausgehandelt worden sein (dann keine AGB) oder gar nicht angesprochen worden sein (dann weiterhin AGB), da Laufzeit und Kündigung keine deckungsgleichen Themen sind.
Rz. 70
Das Gesetz spricht selber von einem "soweit" (AGB liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen … ausgehandelt sind).
Rz. 71
Ein Aushandeln hat grundsätzlich zwischen den Parteien zu erfolgen. Diese können sich hierzu auch bevollmächtigter Personen (Rechtsanwälte, Notar etc.) bedienen. Haben verschiedene Händler einen Beirat gegründet und diesen gebeten, mit dem Hersteller bestimmte Bedingungen auszuhandeln, so kann eine einzelne Klausel oder auch das Bedingungswerk als Ganzes Ergebnis des Aushandelns sein. Kollektiv ausgehandelte Bedingungen wie die VOB/B verlieren ihren Charakter als AGB nicht, zumal es hier an einer Vollmacht zur Verhandlung fehlt.
Werden die AGB nach Vertragsschluss geändert, so ändert dies am AGB-Charakter nichts.
Rz. 72
Die vorstehenden Grundsätze und Voraussetzungen eines Aushandelns gelten auch im unternehmerischen Rechtsverkehr (B2B). Allerdings ist zu beachten, dass bei B2B-Geschäften AGB auch branchenüblich sein können. Diese werden dann nach der Rechtsprechung Vertragsinhalt, ohne dass es eines Hinweises bedarf. Dies ist jedenfalls auf Ausnahmegeschäfte zu begrenzen, etwa Verträgen zwischen Banken, im Transportgewerbe und im Textilbereich, nicht jedoch bei der Fernwärme.