a) Lösungsklauseln
Rz. 26
Individualvertraglich beschriebene Lieferfristen haben Vorrang vor AGB mit dem Inhalt "Lieferung freibleibend" oder "Selbstbelieferung vorbehalten". In solchen Klauseln liegt der größte Verstoß gegen die individuell vereinbarte Bindung an den Vertrag.
b) Änderung der Hauptleistungspflicht
Rz. 27
Die individuelle (auch stillschweigend getroffene) Vereinbarung, wonach nur Markenware bestimmter Hersteller geliefert werden darf, hat Vorrang vor AGB, wonach auch gleichwertige Markenware eines anderen Herstellers geliefert werden darf. Dasselbe gilt für sonstige Änderungs- oder Ersetzungsvorbehalte bezüglich der Hauptleistungen und für abweichende Beschreibungen der Hauptleistung. Unwirksam sind auch Freiwilligkeitsvorbehalte, soweit sie bereits laufende Leistungen einbeziehen.
Rz. 28
Risikoausschlüsse, die im individuellen Versicherungsvertrag vereinbart sind, haben Vorrang vor denjenigen in den AVB, und zwar auch dann, wenn erstere weiter gehen als letztere, die individuelle Vereinbarung also zum Nachteil des Versicherungsnehmers getroffen ist.
c) Eigenschaften der Kauf- oder Mietsache
Rz. 29
Umstritten ist, inwieweit individuelle Beschaffenheitsvereinbarungen (früher: Zusicherung von Eigenschaften) Vorrang vor formularmäßigen Haftungsausschlüssen mit der Folge haben, dass der Verwender für die Beschaffenheit einstehen muss.
Rz. 30
Der Bundesgerichtshof hat bislang der individualvertraglichen Zusicherung von Eigenschaften den Vorrang vor Freizeichnungsklauseln nur eingeräumt, sofern die Zusicherung bezweckte, den Käufer vor Mangelfolgeschäden abzusichern. Er hat dazu in erster Linie die Überlegung angestellt, dass der Verwender dem Käufer die Rechte aus der Zusicherung mit der Klausel in den AGB wieder wegnehmen würde. Er hat weiter angenommen, dass eine individuell vereinbarte Verpflichtung des Verkäufers zur Beseitigung bestimmter Mängel beim Gebrauchtwagen den AGB vorgeht, wonach er für Mängel nicht haften soll. Es wird auch angenommen, dass eine Formularklausel, die eine Mietminderung wegen eines Mangels der Mietsache beschränkt, auf Mängel unanwendbar ist, die eine zugesicherte Eigenschaft betreffen. In der Literatur wird eine individuelle Beschaffenheitsvereinbarung mit einer AGB für vereinbar angesehen, wonach sich die Haftung des Verwenders auf den Fall des Verschuldens beschränkt. Nur bei einer Beschaffenheitsgarantie gemäß § 444 BGB sei keinerlei Haftungsbeschränkung möglich. Sicher unzulässig ist der Ausschluss jeglicher Haftung in den AGB für die Eigenschaften der Kauf- oder Mietsache, weil damit das Versprechen der Hauptleistung faktisch zur Naturalobligation wird.
d) Lieferfristen
Rz. 31
Individuell vereinbarte Lieferfristen und Liefertermine haben Vorrang vor AGB, wonach Fristen und Termine unverbindlich sein sollen, der Verwender Lieferfristen überziehen, Liefertermine verschieben oder keine Fixgeschäfte abschließen darf. Sie verwehren es dem Verwender auch, sich bei Lieferverzug auf seine AGB zu berufen, nach denen ihn im Verzugsfall keine Haftung für leichte Fahrlässigkeit trifft.
e) Haftung
Rz. 32
Individuelle Haftungsregeln haben Vorrang vor Haftungsbeschränkungen in AGB.
Erteilt eine Sparkasse telefonische Auskünfte zur sofortigen Verwertung durch den Auskunftsempfänger, so kann sie sich nicht auf AGB berufen, wonach mündliche Auskünfte nur vorbehaltlich schriftlicher Bestätigung gültig sind.
f) Verjährung
Rz. 33
Eine individuelle Vereinbarung geht Verjährungsbestimmungen in AGB dann vor, wenn sie die Verjährung abschließend regelt. Ob individuell eine abschließende Regelung angestrebt war, wird sich jedoch regelmäßig nur im Wege der Auslegung ergeben können.
g) Sonstiges
Rz. 34
Die vorangehende Darstellung (siehe oben Rdn 26 ff.) zeigt, dass die Rechtsprechung den Regelungsbereich von AGB sehr weit zu ziehen geneigt ist, was auch dort zu der Annahme eines Widerspruchs führen kann, wo man dies auf den ersten Blick nicht vermutet. Irgendwo sind aber Grenzen. So ist etwa eine formularmäßige Sicherungsklausel nicht konträr zu einem individuellen Vertrag, es sei denn...