I. Schriftformklausel und ähnliche Klauseln
1. Einfache Schriftformklausel
Rz. 40
Die einfache Schriftformklausel besagt, dass mündliche Vereinbarungen bzw. Willenserklärungen unwirksam sind oder dass bestimmte Vereinbarungen bzw. Willenserklärungen der Schriftform bedürfen. In AGB tritt die einfache Schriftformklausel gegenüber einem deutlich geäußerten Parteiwillen zurück, wonach die mündliche Abrede gleichwohl gelten soll. Die Rechtsprechung verwirklicht damit im Individualprozess den Vorrang der Individualabrede. Ob etwas anderes gilt, wenn das Gesetz die Schriftform verlangt, ist offen.
Rz. 41
Im Verbandsprozess sieht der Bundesgerichtshof die Schriftformklausel nicht schlechthin als nach § 307 BGB unwirksam an. Vielmehr hängt danach ihre Wirksamkeit von der Ausgestaltung und dem Anwendungsbereich der konkreten Klausel ab. Sie ist aber jedenfalls dann unwirksam, wenn danach mündliche Vereinbarungen unwirksam sein sollen, die nach Vertragsschluss getroffen werden. Sie ist auch dann unwirksam, wenn sie beim Gegner den Eindruck erweckt, mündliche Abreden seien entgegen allgemeinen Rechtsgrundsätzen, zu denen auch der Vorrang der Individualabrede gehört, unwirksam, und sie deshalb geeignet ist, ihn davon abzuhalten, sich auf seine Rechte aus der mündlichen Vereinbarung zu berufen. Dies nimmt der Bundesgerichtshof immer häufiger an, zuletzt schon allein aufgrund der gebieterischen Formulierung, dass sämtliche Vereinbarungen "schriftlich niederzulegen sind". Demgegenüber kann sich der Verwender im Verbandsprozess nicht darauf berufen, dass eine potentielle Individualvereinbarung ohnehin vorginge.
2. Doppelte Schriftformklausel
Rz. 42
Sie besagt, dass die Schriftformklausel ihrerseits nur in Schriftform abbedungen werden kann. Der Bundesgerichtshof hat sie im kaufmännischen Verkehr gebilligt und ihre Zulässigkeit gegenüber Nichtkaufleuten offengelassen.
Rz. 43
Das Bundesarbeitsgericht hat die Klausel zunächst grundsätzlich – vorbehaltlich einer Treuwidrigkeit im Einzelfall – anerkannt. § 305b BGB war insoweit nicht zu prüfen, da keine individuelle Abrede, sondern eine betriebliche Übung entgegengehalten wurde. In späteren Entscheidungen hat das Gericht aber seine Rechtsprechung modifiziert. Zwar hält es die doppelte Schriftformklausel nach wie vor nicht für generell unwirksam. Sie benachteiligt den Vertragspartner aber unangemessen i.S.v. § 307 BGB, wenn(!) sie entgegen der wahren Rechtslage (§ 305b BGB) den Eindruck erweckt, dass jede spätere vom Vertrag abweichende mündliche Abrede gemäß § 125 S. 2 BGB formnichtig sei. Eventuell(!) sei sie auch deshalb unwirksam, weil ein genereller Formzwang mit § 307 BGB nicht vereinbar ist und deshalb erst recht nicht ein erhöhter Bestandsschutz für einen solchen Formzwang, den aber die Verdoppelung der Klausel herbeiführt. Im Übrigen erfasse der Vorrang der individuellen Abrede gemäß § 305b BGB zwar nicht die betriebliche Übung; ist aber die doppelte Schriftformklausel wegen § 307 BGB insgesamt nichtig, so sei sie dies auch gegenüber betrieblichen Übungen.
Rz. 44
Das OLG Rostock folgt dem Bundesarbeitsgericht und hält die Klausel nach § 307 BGB mit dreifacher Begründung für unwirksam: sie sei intransparent, sie begründe einen generellen Formzwang für individuell vereinbarte Vertragsänderungen und sie benachteilige den Kunden unangemessen, weil sie den Eindruck erweckt, dass mündliche Abreden unwirksam sind, was wiederum geeignet ist, den Kunden von der Durchsetzung seiner Rechte abzuhalten.
3. Vollständigkeitsklauseln
Rz. 45
Sie lauten in der Regel dahin, dass mündliche Nebenabreden nicht getroffen sind. Sie sind grundsätzlich wirksam, da sie nur die Vermutung der Vollständigkeit des schriftlichen Vertrags bestätigen, die ohnehin gilt (siehe oben Rdn 15), und dem Kunden den Gegenbeweis offenlassen. Die Gefahr, dass der Kunde es gar nicht wagt, den Gegenbeweis anzutreten, sieht der Bundesgerichtshof nicht für signifikant größer an als bei jedem Vertragswerk, das – auch ohne die Klausel – den Eindruck erweckt, die getroffenen Abreden abschließend und erschöpfend wiederzugeben. Es stellt danach einen Ausnahmefall dar, dass die Klausel als unwiderlegliche Feststellung des Vertragsinhalts zu verstehen ist, womit sie unwirksam wäre.