Rz. 36
Die Unklarheitenregelung des Abs. 2 knüpft an diese vorstehenden Auslegungsregeln an und sanktioniert die Obliegenheit des Verwenders, sich übersichtlich, klar und unmissverständlich auszudrücken. Dies gilt für Einmalklauseln, für den unternehmerischen Rechtsverkehr wie auch den Rechtsverkehr mit Verbrauchern.
Rz. 37
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Unklarheit ist abzugrenzen mit Unklarheiten im Kern (dann werden die Klauseln gar nicht Vertragsbestandteil nach § 305 BGB; siehe § 305 BGB Rdn 93), bei der Auslegung i.S.v. Auslegungsvarianten (dies ist der Anwendungsfall des Abs. 2) und einem Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 BGB (materielle Transparenz, die geeignet ist, den Kunden von der Geltendmachung begründeter Ansprüche abzuhalten).
Rz. 38
Die Unklarheitenregelung kommt nur zur Anwendung, sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind. Hierbei bleiben Verständnismöglichkeiten unberücksichtigt, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernsthaft in Betracht kommen.
Rz. 39
Eine Auslegung zu Lasten des Verwenders bedeutet, dass die kundenfeindlichste Auslegung heranzuziehen ist, wenn hierdurch die Klausel im Rahmen der Inhaltskontrolle entfallen würde. Die kundenfeindlichste Auslegung ist daher im Ergebnis die dem Kunden günstigste, weil hierdurch häufig erst die Inhaltskontrolle eröffnet wird und die Klausel entfällt. Dies gilt gleichermaßen im Individual- wie im Verbandsprozess. Führt diese Auslegung nicht zum Entfall der Klausel, so greift im Individualprozess diejenige Auslegungsvariante, die für den Kunden am günstigsten ist.
Rz. 40
Bedient sich der Arbeitgeber in AGB eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, ist der Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Sinnzusammenhang der Klausel etwas anderes ergibt. Dies ist auch außerhalb des Arbeitsrechts zutreffend. Nur in Ausnahmefällen müssen Rechtsbegriffe erläutert werden, wenn diese dazu geeignet sind, den Kunden von der Geltendmachung seiner Rechte abzuhalten.
Rz. 41
Die Klausel, der Mieter habe die Schönheitsreparaturen "ausführen zu lassen" ist nach der Unklarheitenregelung so zu verstehen, dass Eigenarbeiten ausgeschlossen sind; dies ist aber nach § 307 BGB unangemessen.
Rz. 42
Zu weiteren Einzelfällen siehe die jeweiligen Stichworte in Teil 2 (AGB-Lexikon).
Rz. 43
Im Grundsatz gilt diese Auslegung zu Lasten des Verwenders auch für die ergänzende Vertragsauslegung; im Zweifel ist daher der Entfall der Klausel die kundenfreundlichste Auslegung; nur in Ausnahmefällen kann zugunsten des Kunden eine ergänzende Vertragsauslegung erfolgen (siehe § 306). Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen wie dem Stromlieferungsvertrag können differenzierende Lösungen sachgerecht sein.
Rz. 44
Eine Abwahl des CISG durch AGB ist nicht überraschend; diese entspricht sogar überwiegend der Rechtspraxis.
Rz. 45
Sind nämlich zwei Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar, so kommt die Unklarheitenregel § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung.
Rz. 46
Bei einem Stromlieferungsvertrag kann ein "Aktionsbonus" bereits nach einem Jahr bestehen.
Rz. 47
Die Verwendung mehrerer Klauselwerke kann dazu führen, dass unklar bleibt, welche der konkurrierenden Regelungen Anwendung finden. In diesem Fall gelten die gesetzlichen Vorschriften.
Rz. 48
Formularmäßige Schiedsabreden sind zunächst sorgfältig auch nach der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB auszulegen. Auch eine Schiedsabrede zwischen einem gewerblichen Terminsoptionsvermittler und einem Anleger muss nicht die streitgegenständlichen Ansprüche erfassen.
Rz. 49
Haftungsbegrenzungen beim Fahrertraining sind überraschend, wenn hierin auch die Haftung der Teilnehmer untereinander geregelt werden soll.
Rz. 50
Laufzeitklauseln schließen nicht das Kündigungsrecht nach § 649 S. 1 BGB aus.
Rz. 51
Bei der gewerblichen Miete ist die Umlegung der Kosten für die kaufmännische und technische Hausverwaltung der Mietsache nicht überraschend und verstößt auch nicht gegen das Transparenzprinzip. Das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot wird hierdurch nicht verdrängt.
Formularmäßige Vollstreckungsunterwerfungen wurden vom XI. Senat nach der Unklarheitenregelung dahingehend ausgelegt, dass sie sich nur auf Ansprüche aus einer treuhänderisch gebundenen Sicherungsgrundschuld erstrecken. Dem ist der VII. Senat nicht gefolgt. Ohne weitere Anhaltspunkte könne der Notar die Auslegung des XI. Senats nicht zugrunde legen. Eine Vollstreckungsbedingung i.S.v. § 726 Abs. 1 ZPO muss hiernach klar aus der Urkunde hervorgehen.