I. Grundsatz
Rz. 33
Grundsätzlich bleibt der Restvertrag wirksam. Dies ist nur dann anders, wenn kein sinnvoller Rest verbleibt und sich der Rest auch nicht mit Hilfe des dispositiven Rechts und der ergänzenden Vertragsauslegung zu einer sinnvollen Regelung gestalten lässt (vgl. unten Rdn 51).
II. Lückenfüllung
Rz. 34
Sie geschieht primär mit Hilfe des dispositiven Rechts (§ 306 Abs. 2 BGB).
Heranzuziehen sind das dispositive Recht und die Rechtsprechung dazu, unter Kaufleuten auch die Handelsbräuche. Die VOB/B gehört in diesem Zusammenhang nicht zum dispositiven Recht. Indessen gehören die sog. halbzwingenden Normen im VVG dazu.
Rz. 35
Schulbeispiel ist die gesetzliche Haftung, wenn Haftungsbeschränkungen oder Haftungsausschlüsse unwirksam sind. Weiterhin gelten die §§ 377, 378 HGB bei widersprüchlichen AGB der Kaufvertragsparteien zur Untersuchungs- und Rügepflicht. Ebenso gilt das gesetzliche Werkvertragsrecht, wenn die AGB die Gewährleistungsansprüche unangemessen regeln. Bei unangemessen langen Bindungsfristen gilt für die Annahme des Angebots § 147 Abs. 2 BGB.
Rz. 36
Sehen die AVB ein Treuhänderverfahren vor (§§ 172, 178g VVG a.F.), so kann das dispositive Recht nach § 306 Abs. 2 BGB erst herangezogen werden, wenn die in diesem Verfahren getroffene Ersatzregelung unangemessen ist.
III. Ersatzlose Streichung
Rz. 37
Fehlt dispositives Recht, so soll die Klausel ersatzlos entfallen können. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der betreffende Vertragstyp gesetzlich nicht geregelt ist oder wenn er zwar geregelt ist, aber die Klausel eine Frage betrifft, die ihrerseits nicht geregelt ist.
Ein völliger Wegfall wird weiter für überraschende Klauseln vertreten, denn in der Regel passen sie nicht zu dem Vertragstyp.
Rz. 38
Nicht anzuerkennen wäre eine These, wonach unwirksame Klauseln stets ersatzlos gestrichen werden müssten, wo sie dem Verwender einen unangemessenen Vorteil einräumen. Auch sie können nur mit der Folge gestrichen werden, dass dispositives Recht gilt, wo es denn zur Verfügung steht. Dieses wiederum räumt grundsätzlich keiner der beiden Parteien unangemessene Vorteile ein. Nichts anderes ergibt sich aus den Entscheidungen, die in diesem Zusammenhang zitiert werden. In NJW 1996, 1408 (BSK-Bedingungen) war die Haftungsbeschränkung des Kranunternehmers mit der Folge unwirksam, dass die gesetzlichen Haftungsregeln galten. In NJW 1985, 852 (Vorleistungen des Bauherrn an den Bauträger) und BGHZ 143, 103 (Verlängerungsoption in einem Tankstellenvertrag) stand dispositives Recht nicht zur Verfügung, was in der letzteren Entscheidung auch ausdrücklich festgehalten ist.
IV. Ergänzende Vertragsauslegung
Rz. 39
Ihre Anwendbarkeit zwecks Lückenfüllung ist kaum fraglich, wenn auch nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt. Die Mehrheit in der Literatur bejaht sie, ebenso der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung sowie das Bundesarbeitsgericht. Neuerdings wird ihre Zulässigkeit aus §§ 133 und 157 BGB als Teilen des dispositiven Rechts abgeleitet.
Rz. 40
Zu den Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit gibt es beim Bundesgerichtshof zwei Auffassungen. Die ältere, mildere geht dahin, dass dispositives Recht fehlen muss und der ersatzlose Wegfall der Klausel nicht zu einer sachgerechten Lösung führen darf. Eine Regelung im dispositiven Recht kann fehlen, wenn ein Vertragstyp gesetzlich nicht geregelt ist oder wenn das Gesetz ihn zwar regelt, nicht aber die konkrete Frage. Dispositives Recht fehlt im Allgemeinen im Versicherungsrecht, sodass dort gleich eine ergänzende Vertragsauslegung stattfinden kann. Daran hält der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nach wie vor fest.
Rz. 41
Der VIII. Zivilsenat hat seine Rechtsprechung indessen tendenziell verschärft. Danach soll eine ergänzende Vertragsauslegung nur geboten sein, wenn sich die Lücke nicht durch das dispositive Gesetzesrecht füllen lässt und dadurch ein Ergebnis entsteht, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschiebt.
Des Weiteren kommt die ergänzende Vertragsauslegung in Betracht, wenn das dispositive Recht zu einem unangemessenen Ergebnis führen würde, weil im konkreten Fall die Interessenlage Sonderlösungen erfordert und das dispositive Recht hierfür nicht konzipiert ist. Dies ist also der Sonderfall, bei dem entgegen dem oben (siehe Rdn 38) Gesagten das dispositive Recht zu einem una...