1. Unwirksamkeit bei unzumutbarer Härte des nach § 306 Abs. 2 BGB ergänzten Vertrags (§ 306 Abs. 3 BGB)
Rz. 46
Es handelt sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Wegen der zulässigen, aber in § 306 Abs. 2 BGB nicht genannten ergänzenden Vertragsauslegung hat sie zudem von vornherein einen engen Anwendungsbereich. Weiterhin wird eine einschränkende Auslegung der Vorschrift dahin vertreten, dass die Unwirksamkeit nicht kraft Gesetzes eintritt, sondern nur, wenn sich die Parteien darauf berufen. Unzulässig wäre danach eine richterliche Feststellung der Unwirksamkeit, die die Parteien gar nicht wünschen.
Rz. 47
Die unzumutbare Härte trifft in der Regel den Verwender. Sie muss sich aus einer Interessenabwägung ergeben. Entscheidend ist hierfür der Zeitpunkt, zu dem die Ansprüche aus dem Vertrag geltend gemacht werden. Das folgt aus dem Wort "festhalten" und ist insbesondere wichtig, wenn der Vertrag bereits weitgehend durchgeführt ist. Zu berücksichtigen sind nicht nur nachteilige Veränderungen der Vertragsbedingungen für den Verwender, sondern auch das berechtigte Interesse des anderen Teils an der Aufrechterhaltung des Vertrags und die Vorhersehbarkeit der Unwirksamkeit für den Verwender.
Rz. 48
Aus der Sicht des Verwenders kommen grundlegende Störungen des Vertragsgleichgewichts durch Unwirksamkeit einer Klausel in Betracht, wenn diese auch nicht durch ergänzende Vertragsauslegung abzuwenden sind, etwa bei einer wettbewerbsbeschränkenden Klausel im Kfz-Händlervertrag. Die Rechtsprechung ist aber hier sehr streng, denn grundsätzlich trägt der Verwender das Risiko der Unwirksamkeit seines Klauselwerks. Deshalb reicht es nicht, dass der Verwender auf die Wirksamkeit der Klausel vertraut hat, wohl aber, dass er den Vertrag erwiesenermaßen ohne die Klausel nicht geschlossen hätte und deren Unwirksamkeit oder Nichteinbeziehung in den Vertrag nicht ohne Weiteres vorhersehen konnte. Ebenso wenig reicht es, wenn der Verwender eine erhebliche Kostensteigerung erleidet oder im Vertrag ein bloßes Ungleichgewicht entstanden ist. Verlangt wird vielmehr eine grundlegende Störung der Äquivalenz, die das Vertragsgefüge völlig einseitig zu seinen Lasten verschiebt. In der Literatur wird eine Gesamtnichtigkeit vertreten, wenn der Vertrag im Falle seiner Aufrechterhaltung in seinem Wesensgehalt verändert wäre. Ein Beispiel hierfür ist ein unwirksamer Haftungsausschluss für Gebrauchtfahrzeuge mit der Rechtsfolge der gesetzlichen Mängelhaftung.
Rz. 49
Aus der Sicht des Kunden kommt eine Unwirksamkeit des gesamten Vertrags in Betracht, wenn der Vertragstyp gesetzlich nicht geregelt und die Mehrzahl der AGB im Klauselwerk unwirksam ist, so dass völlige Unklarheit über die beiderseitigen Rechte und Pflichten besteht. Bei der Bürgschaft ist dies nicht der Fall, denn für sie reicht das dispositive Recht aus.
Rz. 50
Bei Dauerschuldverhältnissen ist das Recht zur außerordentlichen Kündigung vorrangig. Die Partei muss es in Anspruch nehmen, insbesondere wenn Klauseln über ein Lösungsrecht unwirksam sind. Dieses Recht zur außerordentlichen Kündigung ist ja auch unabdingbar.
2. Vertragstorso
Rz. 51
§ 306 BGB setzt voraus, dass ein ergänzungsfähiger Restvertrag verbleibt. Deshalb tritt Gesamtnichtigkeit ein, wenn dispositives Recht fehlt und eine ergänzende Vertragsauslegung nicht möglich ist, weil sich nicht feststellen lässt, welche Regelung die Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit getroffen hätten. Dies kann man dahin definieren, dass die Lücke auch sonst nicht sinnvoll geschlossen werden kann. Zumindest die sog. essentialia negotii müssen feststehen.