I. Interessenabwägung
Rz. 7
Das Lösungsrecht für den Verwender ist sachlich gerechtfertigt, wenn eine Abwägung ergibt, dass sein Interesse an der Auflösung des Vertrags schwerer wiegt als das Interesse des Kunden an dessen Fortbestand oder zumindest ein anerkennenswertes Interesse des Verwenders an der Vertragsauflösung besteht. Die Abwägung muss auf der Grundlage der Wertungen vorgenommen werden, die in den gesetzlichen Lösungsrechten zum Ausdruck kommen. Dies sind für den Rücktritt die §§ 275, 281, 323 BGB ggf. i.V.m. §§ 321, 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 und 637 BGB, für die Kündigung die §§ 643, 649, 651e und 651j BGB, für die Anfechtung die §§ 119 und 123 BGB.
Rz. 8
In der Literatur wird vertreten, dass das Interesse des Verwenders an der Vertragsauflösung nur dort anerkennenswert ist, wo der Kunde es aus Treu und Glauben respektieren muss, dass der Verwender sein Risiko über das gesetzlich Vorgesehene hinaus beschränkt. Deshalb sollen grundsätzlich keine Bedenken gegen Lösungsrechte bestehen, wenn der Umstand, auf dem die Nichtleistung entscheidend beruht, nicht vom Verwender zu vertreten ist.
Rz. 9
Das Lösungsrecht (konkret: die Ausübung eines vorbehaltenen Rücktritts) ist nicht gerechtfertigt, wenn der Verwender unter Anwendung gebotener Sorgfalt schon bei Vertragsschluss hätte erkennen können, dass der hierfür bedungene Grund vorliegt, denn insoweit erscheint er nicht schutzwürdig. Dies führt allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Klausel insgesamt, sondern nur zu ihrer Nichtanwendung im konkreten Fall, zur Unwirksamkeit des darauf gestützten Rücktritts und zu Schadensersatzansprüchen des anderen Teils.
II. Erster Hauptfall: Leistungshindernisse beim Verwender
Rz. 10
Hier begegnet vor allem der Vorbehalt der Selbstbelieferung. Solche Klauseln sind nur gerechtfertigt, wenn der Verwender ein konkretes Deckungsgeschäft abgeschlossen hat, dieses aus Gründen scheitert, die sein Vertragspartner (bei diesem Deckungsgeschäft) zu vertreten hat, und er dies seinem Kunden sofort anzeigt. Die Klausel muss all dies ergeben und ferner, dass sie nur bei unverschuldeter Nichtbelieferung eingreift. Erforderlich ist die Kongruenz beider Verträge. Auch dies muss sich aus der Klausel ergeben, wofür aber die übliche Formulierung "richtige und rechtzeitige Selbstbelieferung vorbehalten" ausreicht. Unwirksam ist ein genereller Vorbehalt der Selbstbelieferung.
Rz. 11
Von vornherein nicht als Lösungsgrund tauglich sind kurzfristige Betriebsstörungen und sonstige nur vorübergehende Leistungshindernisse bzw. Leistungsverzögerungen, ferner Leistungshindernisse, die der Verwender schuldhaft herbeigeführt hat. Mithin sind Lösungsklauseln unwirksam, die diese Fälle unterschiedslos in die Lösungsgründe einbeziehen, etwa auf Betriebsstörungen und Arbeitskämpfe generell abstellen, ohne nach der Dauer der Störung oder Behinderung zu differenzieren. Des Weiteren sind hiernach unwirksam die Klauseln "solange Vorrat reicht" und "Liefermöglichkeit vorbehalten".
Kein gerechtfertigter Lösungsgrund liegt in einer erheblichen Verteuerung der Lieferung. Damit könnte die Opfergrenze für den Verwender verschoben und § 309 Nr. 1 BGB umgangen werden.
Rz. 12
Ein sachlich gerechtfertigter Grund liegt in höherer Gewalt, soweit damit unvorhersehbare und nicht in zumutbarer Weise abwendbare Ereignisse gemeint sind. Die Klausel muss klarstellen, dass ein vom Verwender zu vertretendes Hindernis nicht zur Lösung berechtigt.
III. Zweiter Hauptfall: Vertragswidriges Verhalten des Kunden
Rz. 13
Gemeint sind insbesondere Leistungsstörungen bei dem Kunden.
Als sachlich gerechtfertigter Grund wurden angesehen: Nichtbeachtung des Eigentumsvorbehalts im Möbelhandel, Verstoß des Neuwagenkäufers gegen das Verbot der Weiterveräußerung noch vor Übergabe des Fahrzeugs, Unterlassung einer dem Kunden obliegenden Mitwirkungshandlung. Wegen § 309 Nr. 4 BGB kann die Nachfristsetzung nicht abbedungen werden. Zulässig ist dagegen eine Klausel, wonach der Vertrag bei fruchtlosem Ablauf der Nachfrist für die Leistung des Kund...