I. Ausgangslage/Zweck
Rz. 1
§ 308 Nr. 4 BGB ist im Gesamtzusammenhang mit § 308 Nr. 3, Nr. 5 BGB sowie mit § 309 Nr. 1, Nr. 7, Nr. 8 und Nr. 10 BGB zu sehen. Die Vorschrift sichert die Einhaltung des grundlegenden Prinzips des pacta sunt servanda.
Rz. 2
Gemäß § 362 BGB wird der Schuldner von seiner Leistungspflicht nur frei, wenn er die geschuldete Leistung erbringt. Die Leistung ist am rechten Ort (§ 269 BGB) zur rechten Zeit (§ 271 BGB) und auf die rechte Art und Weise zu erbringen (§§ 242, 243 Abs. 1, 266 BGB). Weicht der Schuldner einseitig von dem ab, was bei Vertragsschluss vereinbart wurde, greifen zugunsten des Gläubigers Sekundäransprüche.
Rz. 3
Behält sich der Schuldner vor, sich von dem Vertrag im Ganzen lösen zu können (vgl. § 308 Nr. 3 BGB), kann er sich seiner Leistungspflicht ganz entziehen und damit auch etwaige Sekundäransprüche des Gläubigers abwenden. Allerdings ist der Gläubiger im Gegenzug von der Pflicht zur Gegenleistung befreit. Versetzt sich der Schuldner dagegen durch die Verwendung von AGB in die Lage, sein Leistungsversprechen einseitig für den Vertragspartner ungünstig zu verändern (§ 308 Nr. 4 BGB), müsste der Gläubiger die geänderte Leistung trotz allem annehmen und bezahlen. Gleichzeitig liefen die Gewährleistungs- und Nichterfüllungsansprüche leer, jedenfalls soweit die tatsächliche Leistung dem geänderten Leistungsversprechen genügt. Dadurch kann die ursprünglich vereinbarte Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung zu Lasten des Vertragspartners erheblich gestört sein.
Rz. 4
Indes muss es dem Verwender im Rahmen des für den Vertragspartner Zumutbaren erlaubt sein, legitime Leistungsänderungen vorzunehmen, ohne gleich einen Änderungsvertrag (§ 311 Abs. 1 BGB) schließen zu müssen. Bereits das dispositive Recht schafft entsprechende Spielräume (siehe §§ 242, 243 Abs. 1 BGB; § 346 HGB). § 308 Nr. 4 BGB steht somit im Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis des modernen Handelsverkehrs nach flexibler Leistungserbringung einerseits und dem Schutz des Vertragspartners vor nachträglichen Störungen des Äquivalenzverhältnisses – Erhalt seiner möglichen Ansprüche wegen Pflichtverletzungen des Verwenders – andererseits. Vor diesem Hintergrund steckt die Vorschrift das Feld für wirksame AGB-Leistungsänderungsvorbehalte ab.
II. Rechtsfolge
Rz. 5
Ist ein formularmäßig vereinbarter Änderungsvorbehalt wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, bleibt die ursprünglich vereinbarte Leistung geschuldet. Nimmt der andere Vertragsteil dennoch vorbehaltlos die geänderte Leistung an, so trifft ihn gemäß § 363 BGB die Beweislast für die Änderung oder Unvollständigkeit. Insofern gelten die allgemeinen Grundsätze des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion und der Möglichkeit der Aufrechterhaltung eines sprachlich und inhaltlich sinnvoll abtrennbaren wirksamen Teils einer Klausel.