Rz. 14
Ein Änderungsvorbehalt ist nur wirksam, wenn die vorgesehene Änderung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für seinen Vertragspartner zumutbar ist. Daraus folgt, dass für die Beurteilung der Zumutbarkeit das Interesse des Vertragspartners an der ursprünglich versprochenen Leistung mit dem Änderungsinteresse des Verwenders abgewogen werden muss.
Rz. 15
Die Interessenabwägung erfolgt nicht anhand der Umstände des Einzelfalls, sondern anhand einer generalisierenden Berücksichtigung der typischen Interessen der Vertragsparteien. Ist zum Beispiel typischerweise ausschließlich eine höchstpersönliche Leistungserbringung im Interesse des Vertragspartners – etwa bei einer sog. Chefarztbehandlung durch einen besonderen Spezialisten – ist eine entsprechende Vertreterklausel unwirksam.
Rz. 16
Ein zumutbarer Änderungsvorbehalt muss überdies das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) beachten. Die Voraussetzungen einer möglichen Leistungsänderung müssen in der Klausel hinreichend bestimmt genannt werden, sodass für den anderen Vertragsteil bereits bei Vertragsschluss einschätzbar ist, unter welchen Umständen er konkret mit einer Leistungsänderung zu rechnen hat, welche Maßstäbe in diesem Zusammenhang gelten und wo die Grenzen für eine Leistungsänderung liegen. Je einschneidender die Änderung ist, desto konkreter und kalkulierbarer müssen die Voraussetzungen und der Umfang der Änderung bezeichnet werden.
Rz. 17
Dies bedeutet zugleich, dass es dem Verwender verwehrt ist, den Änderungsvorbehalt so offen zu fassen, dass unbegrenzte Leistungsänderungen gerechtfertigt werden können. Die Nachprüfung der Einhaltung dieser Grenzen muss dem Durchschnittskunden möglich sein. Deshalb muss der Änderungsgrund richtigerweise genannt werden. Der Vorbehalt in den AGB eines Reiseveranstalters, die vereinbarten Flugzeiten ohne weitere Begründung ändern zu können, verstößt daher gegen § 308 Nr. 4 BGB. Als Änderungsgrund darf keine bloße Hohlformel gewählt werden, die vollkommen wertungsoffen ist oder schlicht den Gesetzestext wiedergibt. Nicht nachvollziehbar ist insoweit das Urteil des OLG Köln vom 8.1.2013, nach dem die in den Teilnahmebedingungen eines Prämienprogramms enthaltende Klausel, dass die Prämien, die Prämienstaffeln oder sonstige in den Programmunterlagen beschriebenen Abläufe jederzeit geändert oder ergänzt werden können, sofern dies notwendig erscheint und der Teilnehmer hierdurch nicht wider Treu und Glauben benachteiligt wird, einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle standhalten soll.
Rz. 18
Der Änderungsgrund muss vielmehr nach dem sog. Grundsatz der Erforderlichkeit rechtfertigen, warum eine Leistungsänderung für den Verwender unvermeidlich ist. Dies ist nach weniger strenger Rechtsprechung bereits der Fall, wenn das Änderungsinteresse des Verwenders das Interesse des anderen Vertragsteils an der Unveränderlichkeit der vereinbarten Leistungserbringung überwiegt oder zumindest gleichwertig ist.
Rz. 19
Die Grenzen eines wirksamen formularmäßigen Änderungsvorbehalts sind aber dort erreicht, wo durch die Abweichung das Äquivalenzverhältnis der beiderseitigen Leistungen zum Nachteil des Kunden nicht nur ganz unerheblich gestört wird. Besonders nachteilig für den anderen Vertragsteil ist ein Änderungsvorbehalt, der sich nicht nur auf die Umstände der Leistungserbringung oder auf Nebenpflichten bezieht, sondern auch Inhalt und Umfang der Hauptleistung betrifft. Dementsprechend ist beispielsweise die formularmäßige Einwilligung zu einer automatischen Installation von Updates in einem App-Vertrag ebenso wie der Vorbehalt des Verwenders, seine Leistungen ganz oder teilweise einzustellen, als Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB zu werten.
Rz. 20
Eine unzumutbare Leistungsänderung kann schließlich auch nicht dadurch kompensiert werden, dass dem Kunden die Möglichkeit gegeben wird, sich vom Vertrag zu lösen.
Rz. 21
Vor dem Hintergrund des Grundsatzes "pacta sunt servanda" ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Vertragsinhalt beibehalten wird. Deshalb muss der Verwender die Zumutbarkeit seiner Änderung für den anderen Teil beweisen, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt.